LERNEN MIT ZUKUNFT

information & integration Sprachförderung in einer Zuwanderungsgesellschaft: Eine Bestandsaufnahme IN DER SPRACHE SPIEGELT SICH DIE SEELE EINES VOLKES (Paul Schibler) 30 | MÄRZ 2020 K inder bringen von Geburt an das Potenzial mit, sprechen zu lernen. Sie möchten kommunizieren mit Worten, Blicken und Berüh- rungen. Und sie verlangen – unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Her- kunft – nach sprachlicher Anregung. Obwohl alle Kinder diese angeborene Sprachfähigkeit mitbringen, stellt sich die Sprachentwicklung von mehrspra- chigen Kindern als eine der größten Herausforderungen in der aktuellen bildungspolitischen Diskussion heraus. Die Auswirkungen dieser österreichi- schen Sprachpolitik sind fatal: ohne vorhandene Erfahrungen aufzuarbeiten, ohne den Stand der Wissenschaften und der Sprachdidaktik abzufragen, werden Maßnahmen verordnet, von denen wir aus (sprach-)pädagogischer Perspektive eher nachteilige Auswirkungen (für ei- nen Teil der Kinder) befürchten müssen. Dazu rechne ich die frühe punktuelle „Sprachtesterei“, die frühe Segregation und Schulreifefeststellung von Kindern anhand der Unterrichtssprache, welche fatale Auswirkungen auf Bildungsaspi- ration und die Entwicklung von Teilhabe und Zugehörigkeit von jungen Menschen haben. Mit diesen sprachpolitischen Vorgaben fühlen wir PädagogInnen uns zuneh- mend unwohl. Gleichzeitig steigt der Druck auf die Fachwelt, Kinder gut sprachlich zu begleiten. Nur die Antwort auf das „WIE“ bleibt offen. Denn was bzw. wer soll sich eigentlich entwickeln? • Die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern (einschließlich L1) ? • Die Kompetenzen der PädagogInnen im Bereich (gesamt)sprachlicher Bildung? • Die Bildungspolitik im Umgang mit Herausforderungen im Bereich der Sprache? • Unsere Wissensgesellschaft wegen erheblicher Wissenslücken und Berüh- rungsängste mit sprachlicher Vielfalt? Und verstoßen wir mit diesem national- sprachlichen Agieren letztendlich nicht sogar gegen die kulturellen Menschen- rechte (Artikel 5), wenn wir mehrspra- chige Kinder zwingen, einsprachig zu werden oder einsprachigen Kindern durch unseren monolingualen Habitus verwehren an der zunehmend mehr- sprachigen, globalen Welt teilhaben zu können? Die Not einsprachiger PädagogInnen in mehrsprachigen Gruppen (sprachliches mismatch) besteht häufig darin, dass sie sich mit der Aufgabe überfordert sehen, Kindern die Bildungssprache Deutsch in einer spracherwerbstheoretisch nach- weislich zu kurzen Zeitspanne vermitteln und sie altersgerecht sprachlich fördern zu müssen. Schlechte Rahmenbedin- gungen erschweren die sprachbildende Arbeit zusätzlich. Hinzu kommt, dass PädagogInnen von ihrer Ausbildung her (und hier gehöre es verankert) nur wenig darüber wis- sen, wie ein mehrsprachiges Kind sich sprachlich entwickelt. Dieses Unwissen zeigt sich auch darin, dass von »Sprach- Dr. in Karin Steiner zuständig für pädagogische Entwicklungen und Bildungskooperationen bei den Wiener Kinderfreunden Foto: Felix Zangerl Foto: © Clker-Fre e-pixabay.com

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