LERNEN MIT ZUKUNFT
information & integration losigkeit«, »Halbsprachigkeit« und »Sprachpro- blemen« der Kinder die Rede ist, wenn mangelnde Deutschkenntnisse gemeint sind. Ein Kind kann geringe Deutschkenntnisse haben, ist aber deswe- gen nicht »sprachlos«, denn es kann sich in der Erstsprache altersgemäß verständigen und hat bis dato auch eine normale sprachliche Entwicklung vollzogen. Diese Tatsache sollte beim Deutschlernen nicht nur Rechnung getragen, sondern auch genutzt werden. Denn das Aufgreifen der Erstsprache hat nicht nur positive Effekte beim Erlernen der neuen Sprach- struktur, sondern vielmehr noch eine „hochgradig angstmindernde Wirkung“ (Brizic, 2007, 69 ff.) auf Kinder beim Erwerb der neuen Sprache. Denn fühlen sich mehrsprachige Kinder vor Eintritt in die Bildungsinstitutionen noch kompetent in ihren Sprache(n), verlieren sie dieses sprachliche Selbstbewusstsein im Kindergarten und ganz besonders in der Schule dann oft. Dort erleben sie sich als „sprachschwache“ Kinder, die nicht »richtig« mit der PädagogIn und den anderen Kindern kommunizieren können. Über die Sprache erleben sie Situationen von Ausgrenzung und Dis- kriminierung. Solche Demütigungen tun weh und führen dazu, dass Kinder sich (zum Selbstschutz des permanenten Erlebens des Andersseins) körperlich wehren, die Lust am Lernen verlieren, resignieren oder sprachlich sogar verstummen. Sie können ihre vorhandenen sprachlichen Kompetenzen kaum zei- gen und sich auch kognitiv nicht weiterentwickeln, wenn sie die Botschaft bekommen, dass ihre bis- herig verwendete Sprache zum Lernen nicht mehr wichtig ist. Dies alles hat fatale Folgen nicht nur für die Gesamtentwicklung des einzelnen Kindes, sondern der Gesellschaft per se. Sprachenförderung sollte daher von den Potenzia- len und der Sprachentwicklung der Kinder her ge- dacht und geplant werden. Das bedeutet, nicht nur auf die Zweitsprache Deutsch zu schauen, sondern den Reichtum kindlicher Spracherfahrungen und Entwicklungsmöglichkeiten in den Blick zu nehmen und mehrsprachige Kinder ihr gesamtes sprach- liches Potential zum Lernen nutzen zu lassen. Der Gesamtsprachenansatz ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen (mehr-)sprachigen Bildungs- biographie von jungen Menschen und wird den Bildungsprinzipien einer Pädagogik des 21. Jahr- hunderts gerecht. Die Wiener Kinderfreunde stellen sich mit der Pilotierung des neuen Mehrsprachigkeitsansatzes in ihren Pilotein- richtungen dieser Aufgabe. Wie dies gelingt, erfahren Sie in der nächsten Ausgabe. Fotos:© Archiv Zeitgut Verlag und pixabay.com 31 | MÄRZ 2020 Fotos: © Archiv Wr. Kinderfreunde
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