LERNEN MIT ZUKUNFT

Interessengruppen – links, rechts, reich, arm, dienstgebend, dienstnehmend, Impfbefürworter, Impfskeptiker, für schnelle Maßnahmen gegen den Klimawandel, für überlegtes Handeln gegen den Klimawandel, Ost, West uvam – dauernd diskutiert, verhandelt, evaluiert, welche Lösung für konkrete Herausforderungen in der Gesellschaft die richtigen seien. In einer Demokratie müssen besagte Lösungen schließlich mehrheitstauglich sein. Wer an einem gewissen Punkt erkennt, dass er seine Lösung, mit der er seine Ziele zu erreichen gedenkt, nicht auf fried- lichem, jedenfalls unblutigem Weg erreichen wird, wird versucht sein, sie mit Waffengewalt durchzusetzen. Hier kommt wieder Herr von Clausewitz in Aktion. Wie verhält man sich richtig, wenn Einer, der in den politischen Prozess Involvierten glaubt, nurmehr mit Waffengewalt seine Position durchdrücken zu können? Angebracht scheint, zu erkennen, dass der, der zu Gewalt als Mittel der Wahl greift, sich verrannt hat. «Normal», oder besser gesagt «zivilisiert», kann man mit ihm aller Voraussicht nach in diesem Stadium nicht mehr kommunizieren. Er sieht seinen Standpunkt, den will er erreichen. Komme, was wolle, koste es, was es wolle. Sanktionen, Aufrufe, Demonstrationen sind in dieser Situation nette Versuche der normalen, zivilisierten Kommunikationen. Für den Urheber der Gewalt erfolgen sie zu logisch, sind sie zu vorhersehbar. Er weiss exakt, wie er darauf reagieren muss. Womit der Initiator von Gewalt in der Regel nicht rechnet, ist, dass sein Konterpart seinerseits unlogisch kommuniziert. In der Psychologie ist ein solches Vorgehen als paradoxe Intervention bekannt. Wer sich unlo- gisch verhält, wird mit einer unlogischen Reaktion konfrontiert. Die Erwartungshaltung dahinter ist, dass der, der sich unlogisch verhält, sich aufgrund der unlogischen Reaktion seines Gegenübers neu orientieren muss, sich und sein Verhalten überdenkt und selbst zu einer adäquaten Lösung der Konfliktsituation, die er mit seinem Verhalten geschaffen hat, findet. Die normale, zivilisierte Kommunikation, die vorab die USA und die EU gegen Russland zelebrieren, hat eine gute Tra- dition. Angesichts der Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine erweist sie sich Ende Februar 2022 als wenig wirkungsvoll. Da wäre es vielleicht klug, statt mehr vom immer Gleichen zu tun, neue Wege für die Lösung von Konflikten zu erdenken und zu gehen. Wie eine paradoxe Intervention gegen die Russische Föderation aussehen könnte? Der Einmarsch öster- reichischer Truppen in der Slowakei, um die Slowakei bei der Sicherung der eigenen Infrastruktur zu unter- stützen? Die Invasion Schweizer Truppen in Liechtenstein, wonach die Schweiz dem Fürsten von Liechtenstein die Königswürde antragen würde, damit man als deutlich größeres Staatsgebiet sich besser gegen fremde Anma- ßungen schützen könnte? Eine Entsendung deutscher Friedenstruppen nach Aserbeidschan, um den Aufbau der dortigen Zivilgesellschaft tatkräftig zu begleiten? Die Denkerinnen, Denker und Thinktanks in und um Washington D.C. und Brüssel entwickeln vermutlich bessere Ideen für eine paradoxe Intervention in Richtung Russische Föderation. Wenn hernach die Hohen Repräsentanten der USA und der EU die Maßnahme umsichtig und konsequent implementieren, steht einer adäquaten Lösung des Ukraine-Konflikts wohl nichts mehr im Wege. P.S. Dürfte auch paradoxe Kommunikation die richtige Antwort an die Russische Föderation auf strategischer Ebene sein, ist gleichzeitig doch eines dringend geboten. Gegenüber den Opfern der russischen Aggression in der Ukraine müssen unsere Botschaften logisch bleiben. Der Einmarsch von Truppen der Russischen Föderation stellt einen aggressiven Akt dar und kann auf keinen Fall akzeptiert werden. Unsere Solidarität gilt dem ukrainischen Volk, das den Invasoren furcht- los und mutig Widerstand leistet. So lange wie irgend möglich. 27 | MÄRZ 2022

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