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information & erinnerung Friederike Plachy: Der rettende Regenschirm WIEN IM FRÜHJAHR 1945 Friederike Plachy www.zeitgut.de 30 | JUNI 2019 Fotos:© Archiv Verlag Zeitgut.de Entnommen aus dem Buch Trümmerkinder Zeitzeugen erzählen aus der Nachkriegszeit. 1945 bis 1952. Reihe Zeitgut Band 28. 256 Seiten mit vielen Abbil- dungen, Klappenbroschur Zeitgut Verlag, www.zeitgut.com ISBN 978-3-86614-216-9 E in verregneter Frühlingstag, ein wenig trüb, die Bäume grün und glänzend, auch der Asphalt auf der Anzbachgasse war wie lackiert. Doch sonst regte sich kein Leben. Die Gasse wirkte wie ausgestor- ben. Der Grund dafür war ein Pferdewa- gen, der gemütlich daher kam. Klapp, klapp, die Pferde gingen langsam und die beiden Russen, die auf dem Wagen saßen, schauten von Haus zu Haus, ob sich jemand zeigte. Aber nirgendwo regte sich etwas. Mein Bruder Karli hatte ein Periskop gebaut, aus Sperrholz und kleinen Spiegeln, die er sich zurechtgeschnitten hatte. Wir waren ganz stolz auf unseren Geheimgucker, denn so konnten wir die Gasse beobachten, ohne gesehen zu werden. Natürlich entdeckte Karli auch die Rus- sen auf ihrem Wagen. Unserem Haus ge- genüber blieben sie stehen und schlugen dort heftig an die Tür. Aber es öffnete niemand, so laut sie auch pochten. Karli stand auf, beugte sich aus dem Fenster und rief: „Chef ist roboti!“ Im Nu waren die Russen über der Straße und klopften mit den Fäusten an unserer Tür. Jetzt waren wir dran. „Karli, was hast du gemacht?“ rief Mama. Dann ging sie hinunter, um zu öffnen. An diesem Tag hatten wir aber etwas Besonderes zu essen, ein Hühnchen. Kein knuspriges Backhendl, sondern eine alte, betagte Suppenhenne. Woher und wie sie Mama und Großmutter aufge- trieben hatten, weiß ich nicht. Es war uns auch herzlich egal. Wir freuten uns auf ein gutes Essen, und durch das Haus zog bereits ein verführerischer Duft. Unten an der Tür aber waren die Russen und ließen sich nicht mehr wegschicken. Meine Großmutter nahm den Topf, in dem das Huhn kochte und lief in den Garten, daß ihr Kittel nur so flog. Sehr bald war sie wieder da und stellte einen Reindl – eine flache Pfanne – mit eingebrannten Erdäpfeln (Bratkartoffeln) auf den Herd. Schon kam Mama mit den Russen herauf. Trotz der Eile hatte sie nicht vergessen, noch schnell ihr Gebiß in die Schürzenta- sche zu stecken und eine alte Weste anzuziehen. Das machte sie alt. Die Russen kamen gleich in die Küche, es roch ja so gut. Sie wollten etwas essen. Als sie die Erdäpfel im Reindl sahen, begannen sie zu suchen und als sie nichts anderes fanden, setzten sie sich zu den Erdäpfeln an den Tisch. Gut, daß wir nicht Russisch konnten, denn sie schienen recht ordentlich zu fluchen. Dennoch schmeckten ihnen die Erdäp- fel offenbar, denn sie aßen mit bestem Appetit, löffelten mit wahrer Begeiste- rung, strahlten über das gute Essen und putzten das Reindl ganz und gar leer. Es waren sicher einfache Bauernburschen, denen die eingebrannten Erdäpfel der Großmutter ein Festschmaus waren. Hunger ist der beste Koch und hungrig waren sie sicher. Doch nun wollten sie trinken, sie mach- ten es uns mit entsprechenden Gebär-
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