LERNEN MIT ZUKUNFT

31 | JUNI 2021 Foto: © Engin Akyurt | pixabay.com vertieft, und von Schulgefühlen geplagt wird, seine Frau nicht mehr zu entlasten. Das Ehepaar, dessen Probleme, sich nicht mehr länger im Trubel des Alltags verstecken lassen. Sie alle können nicht mehr, sie alle funktionieren weiter. Ihnen allen geht es nicht gut. Aber jetzt wird es doch eh wieder normaler… werden Sie sich vielleicht denken. Ja, eh! Und dennoch geht es vielen unter uns nicht so wirklich gut. Es wird besser, ja eh. Und doch… Warum ist das so? Wir haben darüber gelesen, dass viele Menschen unter dem letzten Jahr und seinen Geschehnissen gelitten haben. Wir haben Statistiken gesehen, wie viele psy- chische Erkrankungen sich zeigen. Wie schlecht es vie- len geht. Also hatten diejenigen doch Glück, bei denen sich keine psychische Störung bemerkbar gemacht hat, oder? Sei also dankbar, und mach weiter. Oder? In meine Praxis kommen derzeit viele Menschen, die das aber nicht können. Sie sind erschöpft nach einem Jahr Durchhalten. Sie haben Sorgen, Gedanken, Äng- ste, Emotionen und eigene Bedürfnisse verdrängt, weil sie funktionieren mussten. Sie hatten das Gefühl die Kontrolle zu verlieren, keine erprobten Bewältigungs- strategien für die bestehende Situation zu haben, nicht Entkommen zu können. Sie haben ihr Bestes gegeben, und hatten doch das Gefühl immer nur dahin zu strau- cheln. Die Luft wurde angehalten, um jetzt erleichtert auszuatmen und neue Luft zu schnappen. Aber die Erleichterung tritt nicht ein. Es ist Zeit für eine Bestandsaufnahme, es ist Zeit für ein Innehalten. Nein, wir müssen nicht weitermachen, als wäre nichts gewesen. Denn die meisten von uns haben quasi Unmögliches möglich gemacht. Wir dürfen unsere Wunden lecken, uns verletzlich zeigen, Revue passieren lassen, was wir geleistet haben, Verdrängtes verarbei- ten und uns neu aufstellen. Wir dürfen uns zugestehen, dass wir (teilweise schwer) gebeutelt sind, und Inne- halten, um auf uns zu schauen. Denn es darf uns gut gehen. Der erste Schritt dazu ist vielleicht ganz einfach, vielleicht liegt er „eh“ schon auf der Hand… Wir dürfen in uns hineinspüren und (uns) eine ehrliche Antwort geben: „Danke, es geht uns nicht gut.“ WARUM GEHT’S UNS NICHT EIN- FACH NUR GUT? Wir stehen immer noch hier… Nach einem Jahr Ausnahmesituation – einem Jahr kollektiver Krise – über einem Jahr Pandemie. Wo es hingeht, wissen wir nicht. Was noch kommt, wissen wir nicht. Die Konsequenzen, sind noch immer da oder beginnen sich gerade erst richtig zu zeigen. Die Insel der Seligen, von der wir geholt wurden, ist in weiter Ferne. Es ist nicht mehr das, was es zuvor war. Wir sind einiger Erfahrungen reicher. Wir haben einige Erkenntnisse „dazugewonnen“. Wir sind verwundbar. Verletzlich. Ausgeliefert. Die Probleme des Systems und jeder Einzelnen/jedes Einzelnen haben sich an die Oberfläche gearbeitet. Wir haben funktioniert, und tun das immer noch. Der Junge, dessen ersehnter Schulstart, so ganz anders gelaufen ist, wie erzählt und der jetzt gar keine Lust mehr auf Schule hat. Die Jugendliche, die 10 Stunden am Tag lernend vor dem PC verbracht hat, und das Gefühl hat, die vielen geforderten Aufgaben nicht mehr stemmen zu können. Die Frau, die sich zwischen Homeof- fice, Homeschooling und Kinderenter- tainment, zerreißt. Der Mann, den existenzielle Sorgen plagen, weswegen er sich in die Arbeit

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