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lachen und sich des Glücks freuen, das wir gehabt hatten. Ich selber goß mir tüchtig einen auf die Lampe, weil ich an Charly denken mußte. Es war zwischen Italien und Afrika. Mir ist nun besser, weil mir diese Geschich- te immer am Herzen gelegen hat. Charly ist auf die große Reise gegangen und hat damit zwölf Menschenleben gerettet, eine Rettungsmedaille hat er dafür nie erhalten! 27 | JUNI 2022 Der Älteste war unser Heizer Charly. Er war 62 Jahre alt, Nichtschwimmer und hatte sich freiwillig für die Blockadebrecherfahrt gemeldet. Charly hatte seine Familie bei einem der Fliegerangriffe auf Hamburg verloren. Die Uhr ging auf sieben zu, und das Floß war immer noch unter der Wasseroberfläche. Es war nach wie vor mit einer Person mehr belastet, als es tragen konnte. Ich schwamm nebenher und rief: „Wir müssen abstimmen! Charly ist der Älteste, er soll entscheiden, wer loslassen muß, damit wir nicht alle ersaufen!“ „Nee, ick nich, de Bootsmann hett dat segg ‘n!“ entgegnete Charly mit leiser Stimme. Nun mußte ich entscheiden. Du lieber Gott, was sollte ich machen? Herr, steh mir bei, hilf mir, dachte ich in dieser furchtbaren Situation. Bei unserem Palavern hatten wir nicht bemerkt, daß plötzlich unser Floß aus dem Wasser herausgekommen war. Wohl aber hieß es plötzlich, Charly, unser Oberheizer, ist weg! Später habe ich gehört, daß Charly zum Nebenmann gesagt hatte: „Ick bün oold un hebb keen Minsch’n mehr op de Welt. Hoffentlich kommt ji alle an Land!“ („Ich bin alt und habe keinen Menschen mehr auf der Welt, hoffentlich kommt ihr alle an Land!“) – und dann hat er sich losgelassen. Ja so war es, so hat es mir Krischan Niemeyer aus Bremerhaven berichtet. In jenem Moment auf dem Floß liefen mir und den anderen Tränen aus den Augen. Charly hatte sich für uns geopfert! Die See wurde eigenartigerweise auch ruhiger. Einer sagte: „Das hat Charly gemacht!“ Und das glaubten wir alle ganz fest! Gegen zehn Uhr entdeckte uns eine Arado-Flugma- schine, eine Stunde später zog uns die Besatzung eines Schnellboots aus diesem verdammten Wasser. Im Boot waren Wolldecken, aber auch Bier und Vino, was viel wichtiger war. Einige konnten schon wieder Das Foto zeigt mich 27jährig im Oktober 1940. Zu dieser Zeit war ich bei der 40. Minensuchflottille in Lorient-Bretagne in Frankreich, dort befand sich ein deutscher U-Boot- Stützpunkt.
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