LERNEN MIT ZUKUNFT
Lebendiges Lernen und Wachsen: DER CAMPUS VIVANT’E – EINE BESONDERE BILDUNGSSTÄTTE IM HOHEN ATLAS MAROKKOS Hin zu neuen Horizonten information & projekt Stefanie Itto Tapal Mouzoun Gründerin und Gesamtleiterin des campus vivant'e im hohen Atlas von Marokko www.scuolavivante.ch 6 | SEPTEMBER 2019 Fotos © Archiv Scuola Vivante nur die einfache Grundschule im Dorf. Nach spätestens sechs Jahren, viele auch schon früher, verlassen sie ihren Bildungsweg und haben damit keinerlei berufliche Perspektiven. In der ersten Klasse noch „wild und ungezähmt“, hat sich Malika in den letzten Jahren mit viel Freude und Lust, eifrig und engagiert entwickelt - sie konnte sich ihr interessiertes, freiheitsliebendes und kreatives Wesen bewahren und auf wunderbare Art ihren Platz als aktive Schülerin fin- den, die das Schulleben mitgestaltet. Selbstbestimmt und engagiert ging sie von Anfang an ihren Weg und nahm das Bildungsangebot der école vivante stets mit viel Hunger nach Wissen wahr. Besonders ihr künstlerisches, mu- sikalisches und theatralisches Potential konnte sie bei vielen Projekten entde- cken und beweisen. Als sie 2010 als 5-Jährige das allererste Mal mit Farben, Pinsel und Papier in Berührung kam, war das so etwas wie eine Initialzün- dung für sie. Im college vivant'e, unserer weiterfüh- renden Sekundarschule, entwickelte Malika ihre sprachlichen, wissenschaft- lichen und handwerklichen Fähigkeiten weiter. Das eigenverantwortliche Ler- nen hatte sie inzwischen so verinnerli- cht, dass man sie häufig selbstständig arbeitend, in Bücher vertieft, an ihrem persönlichen (von ihr selbst geschrei- nerten!) Arbeitstisch finden konnte. Auf dem campus vivant'e lernte sie nicht nur die theoretischen Inhalte des marokkanischen Lehrplans son- dern auch Praktisches wie Gärtnern, J uli 2019 – die Schultore sind geschlossen und die Klassenräume liegen im « Som- merschlaf », einzig auf den Dächern sind noch ein paar Handwerker mit Ausbes- serungsarbeiten beschäftigt und die Hühner scharren im Schatten ihres Käfigs. Ich orga- nisiere noch ein paar bürokratische Dinge und erledige liegengebliebene Schreibarbeit, während die letzten Wochen vor meinem inneren Auge nochmals Revue passieren: es war eine sehr bewegende und intensive Zeit und allmählich setzen sich die Erinnerungen. Unsere erste Schülergeneration hat den kompletten Zyklus am campus vivant’e durchlaufen und abgeschlossen: neun Jahre an einer aktiven und lebendigen Schule. Was 2010 mit 16 Schülern und einem Wagnis, dem Abenteuer „école vivante“, begann, damals noch in unserem Wohnzimmer, findet nun zum ersten Mal seinen Abschluss: zehn aufgeweckte und lebhafte Kinder, die heran- wuchsen zu gestandenen jungen Frauen und Männern, die ihren Weg nun selbstständig weitergehen. Hierzu möchte ich Ihnen eine Erfolgsgeschichte erzählen, die Geschichte von Malika. Malika kommt aus einer typischen Familie aus dem Dorf. Ihre Eltern sind einfache Bau- ern, der Vater arbeitet teils als Tagelöhner um das knappe Haushaltsgeld aufzubessern. Malika ist das einzige Mädchen unter lauter Jungen in der neunköpfigen Familie. Die Eltern, selber kaum zur Schule gegangen, haben uns von Anfang an ihr Vertrauen geschenkt, als wir die Idee einer freien Schule präsentierten. Sie waren von Beginn an offen und dankbar für unser alternatives Bildungsangebot und die Chancen, die wir ihrer Tochter damit bieten. Viele Kinder, vor allem Mädchen, besuchen in unserem abgelegenen Tal häufig - wenn überhaupt - DER CAMPUS VIVANT'E Vor mehr als zehn Jahren begann alles mit einer Idee: Den Kindern von Ait Bouguemez ganzheitliche Bildungswege eröffnen und ihnen die Möglichkeit bieten, sich in ihrem abgelegenen Tal im Hohen Atlas Marokkos zu mündigen weltoffenen Bürgern heranzubil- den, die ihre Heimat wertschät- zen und den Spagat zwischen Moderne und Tradition, zwischen alter Berberkultur und neuem Fortschritt meistern und mutig und verantwortungsvoll ihren Weg gehen. Die einstige kleine Grundschule ist in den vergange- nen 9 Jahren zu einem Bildungs- Campus mit über 80 Schulkindern und 16 Mitarbeitern gewachsen, welcher heute in so vielfältigen Bereichen wie Permakultur, Ge- hörloseninklusion und Berufsori- entierung wirkt. Viele engagierte Menschen vor Ort und aus der ganzen Welt helfen den campus vivant’e weiterzuentwickeln - hin zu neuen Horizonten.
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