LERNEN MIT ZUKUNFT
information & bewusstsein 24 | SEPTEMBER 2020 Nicht zu vergleichen: DIE EINDRÜCKE DER KINDHEIT WURZELN AM TIEFSTEN (Karl Emil Franzos) Kindheit früher und heute Groschen für ne Zuckerstange, wenn nicht, gab es Schmisse. Damals nichts Beson- deres, auch in der Schule ging der Rohrstock um. Wir Kinder, gingen damit, wie auch mit anderen unangenehmen Gegebenheiten, gelassen um und glaubten das müsse so sein! Ebenso glaubten wir, was man uns lehrte: Dass wir die Guten und die ganze Welt schlecht sei! Wir glaubten an den Weihnachtsmann, den Osterhasen und den Klapperstorch. Dem musste man nur ein Stückchen Zucker aufs Fensterbrett legen, damit er ein Brüderchen oder Schwesterchen brachte. Das Wie und Wo, tat nichts zur Sache, das war tabu! Und die Sache mit der Liebe? Trotz der hässlichen Kritzelein an den Wänden unserer Plumpsklos, stellten wir sie uns einfach himmlisch vor und träumten davon, hinein zu tanzen, grad wie Marika Rökk: In den “Siebenten Himmel der Liebe“! Dabei waren wir noch viel zu jung und der Hölle so viel näher! Die Angst ging um, doch das Leben ging weiter und wir hatten unseren Spaß, unsere Freude, an Kreis- und Geländespielen in Wald und Flur, wo man so herrlich Laubhütten bauen und “Indi- aner“ spielen konnte. Wir spielten “Krei- selpeitschen“ auf dem Fußweg und Bälle fangen an der Hauswand. Nicht zu verges- sen “ Vater, Mutter, Kind“, oder “Kasper- theater“. Wir hatten niemals Langeweile! Später hatten wir die Aufgabe Heilkräuter zu sammeln, sogar Lumpen Knochen Eisen und Papier. Das fing mit dem zehnten Lebensjahr an, wo man ganz automatisch “Jungmädel“ war! Nun ging es im Marschschritt, mit fröhlichem Gesang durch die Straßen, und wir hatten sogar Spaß daran! Heute erin- nert mich das stark an den “Rattenfänger von Hameln“! Wir strickten Socken und Babette Reineke Hannover, Deutschland I ch bin 1932 in Mühlhausen/Thürin- gen geboren. Vater war Böttcher in der alteingesessenen Brauerei un- seres Städtchens. Mutter war Haus- frau. Politik spielte bei uns kaum eine Rolle, hier spielte eher die Blasmusik. Nämlich im “Bayernverein“, den mein Vater, aus Bayern stammend, zusam- men mit Landsleuten gegründet hatte. Dort wurde das bayrische Brauchtum incl. Trachtentänze und zünftigem Bauerntheater, gepflegt. Auch eine Kindertanz- gruppe gab es, und ich war mit meinen fünf Jahren, die Jüngste. Unsere Veranstaltungen, die im Sommer auch im Freien stattfan- den, waren in der thüringischen Provinz echt exotisch und immer ausverkauft. Irgendwie war es eine wunderbare Welt für sich und die glücklichste Zeit meiner Kindheit. Als der zweite Weltkrieg be- gann, war ich sieben Jahre alt und gerade ein Jahr lang “ABC Schütze“. Da wehte ein anderer Wind! Dennoch ging ich gern zur Schule, nur die Rechenstunde war mir höchst zuwider! Kam das daher, weil Vater mit mir, schon als Kleinkind, das kleine Einmaleins übte? Schließlich sollte mal was werden aus mir! Kapierte ich, bekam ich einen 1946 aus der russischen in die amerikanische Besatzungszone geflohen. In einem Samtkleid und Schuhen aus einem Care-Paket aus Amerika. Fotos: © Babette Reineke
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