LERNEN MIT ZUKUNFT
Ohrenschützer für die “Landser“ und wünschten uns eine modische Zipfelmüt-ze mit “Karnickelfell- besatz“, eine Puppenstube oder einen Wipproller zu Weihnachten. Mehr und mehr aber wurde unser Wünschen und Hoffen von der rauen Wirklichkeit bestimmt: Hauptsache, es gab keinen Fliegeralarm und unser Bauer entlohnte das Mithelfen bei der Ernte, mit genug Milch, Mehl und dicken Speck- schwarten. Daraus zauberte Mutter die köstlichsten Gerichte, grad so wie sie aus alten Tisch- oder Bettdecken- Kleider, Hosen, Puppen, sogar Stoffbäl- le machte! Aus Nichts etwas machen, das lernten auch wir Kinder schnell und ebenso, achtsam mit Allem umzugeh’n. Ganz einfach, weil es keinen Nachschub gab! Dafür immer öfter Schulausfall und Fliegeralarm und wir hofften, angstschlotternd im leeren Kohlenkeller hockend, dass sie über uns hinwegzogen und wir beim “Kohlenklau“ am Güterbahnhof, nicht erwi- scht wurden! Vor Allem aber hofften wir, dass der Krieg endlich aus ist und Vater heil zurückkommt! Gott sei Dank, der erste Wunsch ging in Erfüllung. Der Zweite für so Viele, auch für mich, leider nicht! Heute ist das längst vergangen, doch niemals sollte es vergessen sein, damit niemals mehr ein Kind um seinen Vater weinen muss! Es tut so gut, noch zu erleben, dass wir andere Zeiten haben. Klar, sie haben auch ihre Gefahren, doch wir leben im Wohlstand, vor Allem aber in Frieden und Freiheit! Doch manchmal fürchte ich, alles könnte überschwappen. Maßlosigkeit und Egoismus machen sich breit, auf Kosten der Menschlichkeit; der Schöpfung im Ganzen, von der wir nur ein winziges Teilchen sind! Die Kinder von heute erleben eine Welt, die Allen offensteht und nichts scheint unmöglich! Tabus gibt es nicht mehr, sie dürfen selbst bestimmen und Dinge erlernen, von denen wir nur träumen konnten! Jedoch ist es nicht zu viel, was auf sie einstürzt? Es ist so schwer, “Schein“ und “Sein“ zu unterscheiden und Kin- derseelen sind so leicht verführbar! Doch sie sind lernfähig und die Hoffnung bleibt, dass sie bei all den Möglichkeiten nie das rechte Maß verlieren! information & bewusstsein Mein Schuljahr 1938 Infos zur Person Babette Reineke Die 1932 in Görmar/Mühlhausen in Thüringen geborene Babette Reineke schreibt schon von Kindesbeinen an. Sie verfaßt Märchen, Gedichte und Kurzgeschichten. Dabei gelingt es ihr, die Begebenheiten des Alltags auf den Punkt zu bringen ohne dass ihre Texte der Tiefe, manchmal auch der Doppelbödigkeit entbehren. Babette Reineke erlernte den Beruf einer Erzieherin und war nach ihrer Verwitwung bis ins Rentenalter als Altenpflegerin tätig
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