LERNEN MIT ZUKUNFT

24 | SEPTEMBER 2021 Elternwerkstatt: DIE SCHULHEFTE UND DER RESPEKT Erziehung ist (k)ein Kinderspiel Foto: © Nicole Effinger - Fotolia.com E ine Mutter sitzt mit ihrem etwa 9-jährigen Sohn Hugo in der Stra- ßenbahn. Offensichtlich haben sie eine Auseinandersetzung, da die Mutter die benötigten Hefte aufgrund eines Lieferengpasses nicht besorgen konnte. Sie versucht sich zu rechtferti- gen, aber ihr Sohn hört nicht zu, be- schimpft sie und lässt sie nicht ausreden. Verärgert kündigt sie Hausarrest an und schaut schmollend und starr zum Fenster hinaus. Hugo versteht nicht, warum er nun bestraft wird, denn immerhin hat ja sie die Schulhefte nicht besorgt. Mutter: „Weil du frech bist und auch vorher schon so böse warst.“ RETOURKUTSCHE AUS SCHWÄCHE: LIEBESENTZUG, STRAFE, ABWERTUNG Die Mutter hat es verabsäumt, rechtzeitig Grenzen zu setzen und lässt zu, dass sich ihr Sohn respekt- los verhält. Als es ihr aber zu viel wird, macht sie ihn dafür verantwortlich, indem sie schmollt, ihn beschimpft und durch Hausarrest bestraft. Sätze wie „Weil du böse bist!“ sind nicht dazu geneigt, Einsicht zu wecken – im Gegen- teil, sie nageln fest! Rachegefühle wer- den geschürt und dem Sohn wird nicht vermittelt, sich selbst und seine Mutter zu achten. So entsteht ein Teufelskreis! VERSTÄNDNIS STATT RECHT- FERTIGUNG Die Alternative? Die Mutter könnte durchaus Verständ- nis für den Unmut Ihres Sohnes zeigen und erst dann eine Erklärung geben. Wenn er sich ver- standen fühlt, wird er in der Lage sein, ihr zuzuhören. Das könnte sich z.B. so anhören: „Ich verstehe, dass du verärgert bist, aber die Lieferung war mir für heute zugesagt worden. Hast du eine Ahnung, wie wir das Problem nun lösen kön- nen?“ Auch wenn sie Schuld hätte, gilt es Haltung zu wahren: „Es tut mir leid, dass ich vergessen habe. Ich kann deinen Ärger verstehen.“ Wenn er auf diese Weise ernst genommen und in die Pro- blemlösung eingebunden wird, kommt er wahrscheinlich erst gar nicht auf die Idee, die Mutter zu beschimpfen. Wenn doch, ist es wichtig, dies sofort anzusprechen und zu unterbinden: „Auch wenn es ein Problem gibt, steht es dir nicht zu, mich zu beschimpfen! Bitte versuch’ dich zu beherrschen! Überleg dir was zu tun ist und reden wir zu Hause weiter.“ oder: „Ich mach dir einen Vorschlag….“ Sollte auch das nichts nutzen, muss sie konsequent handeln. (z.B. Aussteigen: „Ich nehme die nächste Straßenbahn!“) In einer ruhigen Minute kann sie ihrem Sohn tröstende Worte sagen und ihm erklären, dass es sie verletzt, wenn er sie beschimpft – aber seien Sie nicht Mitleid erregend! Damit sind Kinder überfordert. RESPEKT GIBT HALT Besonders dann, wenn Sie sehr belastet sind, gilt es, die Nerven zu bewahren. Holen Sie sich Unterstützung, denn Sze- nen wie diese sollten nicht den Alltag mit Ihren Kindern prägen. Wenn das Bezie- hungsklima gehässig wird und Kinder die Achtung vor den Eltern und den Erwach- senen verlieren, wird Erziehung immer schwieriger und Sie verlieren den Einfluss auf Ihr Kind – das kann schon in wenigen Jahren gravierende Folgen haben. Mag. a Maria Neuberger- Schmidt Autorin und Gründerin Verein Elternwerkstatt www.elternwerkstatt.at Foto: Ingrid Perger Elternwerkstatt

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