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Alltagssituationen: WARUM PROFESSIONELLES, PÄDAGOGISCHES HANDELN WICHTIG IST Kinder positiv bestärken 28 | SEPTEMBER 2021 J ulian klettert auf einen Baum. Mühsam hangelt er sich hinauf und setzt sich schließlich auf einen etwas höher gelegenen Ast. Voll Stolz blickt er runter und ruft seiner Erzieherin zu. „Guck mal, wie weit ich oben bin.“ Die Erzieherin winkt ihm zu und bestätigt ihm, dass sie ihn sieht und wie weit er es geschafft hat. Sie nimmt Anteil an seinem Erfolg und bestärkt sein Tun. Eine andere Erzieherin, die das Gesche- hen ebenfalls verfolgt, ruft Julian zu. „Oh mein Gott, bist du weit oben, pass bloß auf, dass du nicht runterfällst. Ehrlich ge- sagt ist mir das viel zu hoch, komm bitte sofort runter, damit dir nichts passiert.“ Alltagssituationen wie diese fordern Pädagog*innen zum Handeln auf. Wie dieses Handeln gestaltet wird, hängt von der Professionalität der Fachkraft ab und wird von deren Wissen und Können be- stimmt. Zudem spiegelt sich in ihrer Art zu handeln, ihre pädagogische Haltung ihre Kompetenz und ihr professionelles Selbst wider. All das unterscheidet sie von nicht professionalisierten Personen. Was aber macht den Unterschied zwischen professionalisiertem pädago- gischem Handeln und den nicht professi- onellen Reaktionen aus? Um pädagogisch professionell handeln zu können, bedarf es laut Helsper (2021) neben dem wissenschaftlichen pädago- gischen Wissen, sozialer Kompetenzen, Routinen in der Interaktions- und Be- ziehungsgestaltung auch einer Sinner- schließung des Fallverstehens. Das heißt, reines Theoriewissen, eine Erziehung nach Buch funktioniert nicht. Vielmehr muss die pädagogische Fachkraft eine Situation richtig interpretieren können, die Situation also verstehen können um dann adäquat, das heißt, professionell darauf reagieren zu können. Dewe (2011) spricht davon, dass ein Handeln nach Regelanwendung nicht dem päda- gogischen Anspruch gerecht wird. Im Fall des kleinen Julians heißt das, die Erzieherin muss die Situation richtig interpretieren, damit sie professionell darauf reagieren kann. Die eine Erzie- herin beobachtet wie geschickt sich der Junge auf dem Baum bewegt, wie stolz er ist, es geschafft zu haben. Sie traut ihm das zu. Sie weiß, wie wich- tig es ist, dass Kinder die Erfahrung machen, dass sie sich etwas zutrau- en können, dass sie geschickt sind. Ebenso weiß sie, wie wichtig es ist, dass Kinder am eigenen Leib spüren, was sie sich zutrauen können. Und sie kennt Julian aus früheren Beobach- tungen. Sie interpretiert die Situation dahingehend, dass sie sein Können mithilfe ihrer emotionalen Kompetenz und Empathie bestärkt. Sie zeigt ihm, dass sie ihn wahrnimmt, sie sieht ihn. Sie beschreibt was sie wahrnimmt, und nimmt so Anteil an seinem Erfolg. Sie bestätigt ihn in seinen Fähigkeiten und stärkt so sein Selbstvertrauen. Dazu muss sie über ein Theoriewissen verfügen, die Situation, den Fall richtig interpretieren und innerlich ein Stück zurücktreten. Eigene Erfahrungen mit dem Klettern, mögliche Gefahren und eigene eventuell ängstliche anerzogene Roswitha Maderthaner BEd Montessoriepädagogin Akademische Trainerin Dipl.Biografiearbeiterin

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