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information & erinnerung Babette Reineke: Das Weihnachtsgeschenk GÖRMAR BEI MÜHLHAUSEN, THÜRINGEN; 1943 Foto: Buch-Cover www.zeitgut.de Unvergessene Weihnachten. Band 3 36 besinnliche und heitere Zeitzeugen-Erinnerungen. 192 Seiten, viele Abbildungen, Ortsregister. Zeitgut Verlag, Berlin. Bestellen unter: Tel. 030 70 20 93 14, info@zeitgut.de , www.zeitgut.com Taschenbuch, ISBN: 978-3- 86614-122-3 30 | DEZEMBER 2019 W ir schrieben das Kriegsjahr 1943. Dieses Jahr hatte uns den Vater genommen, oder waren es die Russen gewe- sen? Jedenfalls deckte ihn seit einigen Wochen russische Erde zu. Mutter ging es wie so vielen in jener Zeit: Sie stand mit uns drei unmündigen Kindern allein da. Es war für uns alle eine traurige Zeit und trotzdem wurde es Weihnachten! "Wir werden nur einen Tannenzweig schmücken", sagte Mamusch, "und überhaupt wird der Weihnachtsmann kaum etwas zum Bringen haben!" Ich konnte das gut verstehen, denn aus der Schule wußte ich, daß alle Güter an der Front gebraucht wurden. Mit Phan- tasie und bescheidenster Zutaten gab es dennoch genug Heimlichkeiten in der Weihnachtszeit. Es gab aber auch, besonders in den Nächten, Fliegeralarm. Dann mußten wir unser warmes Bett mit dem kalten Koh- lenkeller tauschen. Unser Kinderzimmer stand längst schon leer, fühlten wir uns doch im elterlichen Schlafzimmer, so nah bei Mutter, geborgener. Sie hatte Brüderleins "Gatterbett" herüberge- holt, das Baby schlummerte in seiner Wiege und ich selbst im Ehebett auf Vaters Seite - bis Heiligabend. Eine unerklärliche Sehnsucht nach meinem Kinderbett erfaßte mich. Erinnerung an vergangene Weih- nachten, als Pa' solch tolle Ein- schlafgeschichten erzählte? Wie dem auch sei, ich begab mich am Heiligen Abend ins Kinderzim- mer und in mein angestammtes Bett. Mit meinen elf Jahren glaubte ich zwar nicht mehr an den Weihnachtsmann, dennoch an irgendeine kleine Freude, die der Weihnachtsmorgen bringen würde. Man muß wissen, daß in Thüringen erst dann Bescherung ist, und daß schon vor Tag. Punkt 5 Uhr nämlich rufen die Glocken zur Christmette, somit haben daheim Knecht Ruprecht oder das Christkind freie Bahn. Nun lag ich endlich wieder in den eige- nen Federn, ganz schön klamm und kalt waren sie. Das Fußende war an einer Ecke hochgeschoben, und die Tür stand fast immer offen. Kein Wunder, daß die Kälte reingekrochen war! - Brrrr! - So langsam kroch sie auch in mir hoch und ich kroch um so tiefer unter das dicke Federbett. Horch! War da nicht eben ein verhal- tenes Weinen? Sollte es vom Schwesterchen nebenan gekommen sein? Unmöglich für mich, es zu hören, steckte ich doch bis über die Ohren und zusam- mengerollt wie ein Igel in meinem Nest- chen! Nun wurde mir schon wärmer. Wohlig streckte ich meine Füße aus, doch wie von einer Tarantel gestochen, zog ich sie sogleich wieder zurück. Was in aller Welt war das? Da war etwas Warmes, Weiches gewe- sen und bewegt hatte es sich auch. Mir sträubten sich die Nackenhaare! War dies ein böser Traum? Doch da war es wieder, dieses leise Wimmern, und es kam just vom Fußende meines Bettes! Vor Aufregung zitternd schlug ich die Bettdecke zurück und erblickte, eng
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