LERNEN MIT ZUKUNFT
Im Kindergartenalltag: KENNST DU VIELE SPRACHEN - HAST DU VIELE SCHLÜSSEL FÜR EIN SCHLOSS (Voltaire) Mehrsprachigkeit 18 | DEZEMBER 2021 in der Personalstruktur der Kindergärten wider. Das Sprachen-Mismatch von ein- sprachigen (bzw. ausschließlich einspra- chig kommunizierenden) Fachkräften gegenüber mehrsprachigen Kindern führt oftmals zur Not der Pädagog*innen, die die verschiedenen Sprachen der Kinder mit ihrer Arbeit nur unzureichend verein- baren können. Der monolinguale Habitus der Institution Kindergarten zeigt sich dann darin, dass von `Sprachlosigkeit´, `Halbsprachigkeit´ und `Sprachproblemen´ der Kinder die Rede ist, wenn mangelnde Deutschkenntnisse gemeint sind. Ein Kind kann geringe Deutschkenntnisse haben, es ist aber deswegen nicht `sprachlos´, denn es kann sich wunderbar in seiner Sprache verständigen. Diese bis dato sprachlich selbstbewussten Kinder verlieren sich in dieser neuen, ein- sprachigen und fremden Welt des Kinder- gartens. Sie sind verunsichert und können nicht aktiv am Geschehen teilnehmen. Sie können sich, aber auch ihre Kompetenzen, kaum zeigen und sie auch nicht weiter- entwickeln, wenn sie den Angeboten des Kindergartens nicht folgen können. Sie erleben Ausgrenzung, Diskriminierung und einen Stillstand in ihrer Entwicklung. „Durch das Nicht-Anerkennen von sprachlichen Ressourcen und dem damit einhergehenden Assimilierungsdruck, sich die deutsche Schul- und Bildungsspra- che anzueignen, um im österreichischen Bildungssystem bestehen zu können, werden Bildungseinrichtungen zu Orten, an denen die sprachliche Vielfalt untergra- ben wird. Dadurch gehen die Motivation S prache und damit verbunden sprachliche Bildung durchziehen so gut wie alle Gruppenprozesse und Interaktionen in elementaren Bildungseinrichtungen. Sie sind Grund- lage erfolgreicher Bildungsbiographie, aber auch zentrales Element frühpäda- gogischer Bildungsarbeit. Zunehmend mehr Kinder wachsen in Österreich und insbesondere in Wien mehrsprachig auf, und so nimmt auch die Zahl der Kinder mit einer lebens- weltlichen Mehrsprachigkeit 1 in den Kindergärten und Schulen stetig zu 2 . In den ersten Lebensjahren wird der Grund- stein für ein positives Selbstkonzept als lebenslang lernendes Individuum und die Bildungsbiografie der Kinder gelegt. Eine qualitativ hochwertige mehrsprachige Sprachbildung eröffnet Kindern hierbei elementare Entwicklungschancen und ermöglicht ihnen sprachliche und gesell- schaftliche Teilhabe. In der gängigen Praxis erleben mehr- sprachige Kinder den Kindergarten aber zumeist als einsprachigen Ort, an dem ihre Familiensprache(n) nicht berücksich- tigt werden und ihre bislang erworbenen Sprachkompetenzen keine Rolle spielen (vgl.Gogolin, 2008, Panagiotopoulou, 2016). Obwohl an Wiener Kindergärten über 60% mehrsprachige Kinder – Tendenz steigend - betreut werden, spiegeln sich ihre Spracherfahrungen weder im Tagesablauf, in der Raum- und Materi- algestaltung noch in Gesprächen oder 1 Lebensweltliche Mehrsprachig- keit beschreibt präziser als der Begriff „Kinder mit Migrations- hintergrund“, dass der überwie- gende Teil dieser Kinder keine eigene Migrationserfahrung mehr hat, sondern bereits in Österreich geboren ist, jedoch zwei bzw. mehr Sprachen als alltägliches Verständigungssprache im famili- ären Kontext aktiv nutzt. 2 Im Durchschnitt sprachen im Kindergartenjahr 2017/2018 33% der Kinder in Österreich eine nicht- deutsche Umgangssprache, wobei der Anteil in Wien mit 60,1% am höchsten war (vgl. Na- tionaler Bildungsbericht, 2020). Mag. a Dr. in Karin Steiner päd.Entwicklungen EU- Projektleitung Die Kinderfreunde-Wien http://wien.kinderfreunde.at
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