LERNEN MIT ZUKUNFT
Doris Henninger: HÖXTER/WESER, WESERBERGLAND, NORDRHEIN-WESTFALEN (1945 – 1953) Care Pakete 34 | DEZEMBER 2021 aufgewachsen, mein Lebensweg wäre ganz anders verlaufen. Ich bin trotzdem dankbar, daß meine Mutter es damals abgelehnt hat. Die Care Pakete aus den USA von Martha Wettermark enthielten viele Herrlichkeiten. Heute würden wir sa- gen: Typisch amerikanisch. Spielsachen, so bunt! Aber natürlich auch Lebens- mittel, die wir ehrfürchtig bestaunten und genossen. Zwei- bis dreimal im Jahr kamen diese Pakete. Vor Weihnachten konnten wir alljährlich ganz sicher darauf vertrauen, eines zu erhalten. Einmal, ich mag vielleicht vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, malte ich auf meinen Weihnachtswunschzettel ein Kaffeeservice für Puppen und einen Teddybären. Den Zettel legte ich für das Christkind auf die Küchenfenster- bank. Und dann erlebte ich die schöns- te Überraschung, die sich denken läßt: Das Weihnachtspaket aus den USA enthielt neben anderen, für uns damals unerreichbaren Schätzen und Köstlichkeiten auch ein Puppenservice aus rosa Plastik und einen Teddybär. Ein Wunder! Meine Mutter beteuerte später, sie habe Martha Wettermark von meinem Wunsch nichts geschrie- ben. Ich war selig! Meinen Teddy Ströppchen liebte ich heiß und innig. Eine Freundin meiner Mutter nähte ihm einen richtigen Anzug, damit er auch chic aussah. Natürlich hätte ihm auch ohne Anzug mein ganzes glückliches Kinder- herz gehört. C are Pakete – die Seligkeit für uns fünf Flüchtlingskinder! Und natürlich auch für unsere Mutter, die Kriegerwitwe war. Wer das vermittelt hatte? Ich weiß es nicht mehr. Kam dieser Segen über das Rote Kreuz oder die Kirchengemeinde? Aber die Namen der großzügigen Spen- der sind mir nach über sechzig Jahren noch im Gedächtnis: Elfie Cederfeld aus Schweden und Martha Wettermark aus den USA. Elfie Cederfeld war Lehrerin. Sie wollte mich adoptieren. Meine Mutter lehnte das dankend ab. Von keinem ihrer Kinder hätte sie sich freiwillig getrennt, trotz aller Not. Zwar war das Angebot ver- lockend, da bei uns damals Mangel an allem herrschte, aber irgendwie ging es doch immer weiter. Bei Elfie Cederfeld wäre ich bestimmt gut aufgehoben gewesen. Sie hatte viel Platz und viel Geld. In unserer Flücht- lingsunterkunft lebten damals zeitweise 14 Personen auf achtzig Quadratmetern. Dennoch, wie hätte ich Mutter und meine vier Geschwister vermißt! Sie wa- ren mit ihrer Lebendigkeit meine Rettung damals, als unsere Mutter in Depressi- onen versank. Einige Zeit später, 1953, ich war inzwi- schen neun Jahre alt und wir wohnten nicht mehr in der Flüchtlingsbehausung, besuchte uns Elfie Cederfeld mit ihrer Schwester und einer Freundin. Es waren sehr sympathische, liebevolle Frauen, die mir bestimmt jede Förderung hätten zukommen lassen. Wäre ich in Schweden Artikel aus: Unvergessene Weihnachten. Band 10 36 besinnliche und heitere Zeitzeugen-Erinnerungen. 192 Seiten, viele Abbildungen, Ortsregister. Taschenbuch-Ausgabe ISBN: 978-3-86614-244-2 Gebundene Ausgabe ISBN: 978-3-86614-243-5 Zeitgut Verlag, Berlin. www.zeitgut.com Fotos: © Zeitgut-Verlag
RkJQdWJsaXNoZXIy NDYxNDY=