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Der emotionale Mensch – Teil 2:
WIE EMOTIONEN UNSERE ERINNERUNG DOMINIEREN
Erinnern an Gut und Böse
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Mag. Markus Neumeyer
Theater-, Film- und
Medienpädagoge,
dipl. Lern/ Freizeit &
Vitalcoach,
E
s ist dunkel. Durch den Raum hallt
ein lauter, markerschütternder
Schrei und über 200 Menschen
werden aus ihrer Lethargie gerissen und
zucken zusammen. Kurzes Gemurmel. Da-
nach: Erleichterung. Endlich tut sich was,
in diesem bis jetzt todlangweiligen Kino-
film. So soll es sein.
Ein guter Film geht über unsere Netzhaut
direkt in unser Herz. Die Geschichten aus
den Traumfabriken dieser Welt bringen
uns zum Lachen, machen uns weinen und
können unserem Leben manchmal sogar
eine neue Richtung vorzeigen. Je mehr
wir uns mit den Charakteren identifizieren
können, umso tiefer werden wir in die be-
wegten Bilder hineingezogen, umso mehr
sind wir mittendrin. Unser Herz spielt da-
bei in Wahrheit jedoch nur eine Neben-
rolle, denn der Star des Abends ist unsere
Denkzentrale: das Gehirn.
UNSER „FILM DES LEBENS“
„Das Leben ist wie ein schlechter Film“,
ist ein Sprichwort in dem mehr Wahrheit
steckt, als man denkt. In den 90 bis 120
Minuten eines abendfüllenden Spielfilms
werden jene Höhepunkte der Protago-
nisten gezeigt, die sich im wahren Leben
oftmals über Jahre erstrecken. Das Alltäg-
liche fällt weg, wird weggeschnitten oder
gar nicht erst gedreht. Mit unseren Erin-
nerungen verläuft es ganz ähnlich. Unser
Hirn agiert wie ein Cutter und arbeitet
tagein tagaus an jenem „Blockbuster“,
der am Ende unseres Dasein angeblich
vor unserem inneren Augen ablaufen soll.
Die wichtigsten Höhe- und Wendepunkte,
die Plotpoints, kommen in den Film, der
Rest landet im Müll. Unsere Emotionen
haben dabei ein gewichtiges Wörtchen
mitzureden.
EMOTIONEN WÄHREN LANGE
In der Neurobiologie werden Emotionen
als kurze, präkognitive, vorbewusste
und mal mehr, mal weniger automa-
tisch erfolgende Stimulierungen eines
Affektprogrammes bezeichnet. In dieser
Hinsicht sind Emotionen sehr kurze,
eruptive Reaktionen, die allerdings
komplizierten neuronalen Vorgän-
gen unterliegen und äußerst lebhafte
Erinnerungen erzeugen. Emotionale
Erregung ist für die langfristige Spei-
cherung wichtiger Einzelheiten eines
Erlebnisses besonders vorteilhaft,
was in den meisten Fällen
auf Kosten der Erinnerungen
an nebensächliche Details geht.
In sehr emotionalen Situationen
schaltet sich jene Gehirnregion in
das Gedächtnis ein, die wir als
Amygdala (Mandelkern) ken-
nen - unabhängig davon, ob
die Emotion nun positiv oder
negativ ist. Solche beson-
deren Momente können ferner
die Ausschüttung bestimmter
Stresshormone, der Glucocorti-
coide, auslösen. Diese Hormone
veranlassen den Hippocampus
(die zentrale Schaltstation des
limbischen Systems) und die Amyg-
dala unmittelbar die Erinnerung zu
verstärken. Es ist also erwiesen, dass
emotionale Höhepunkte zu besonders
intensiven Erinnerungen werden, die
auch immer wieder neu abgerufen und
durchlebt werden können.
tipp
Von dem Autor stammt
das Buch „Aus dem
Leben in die Kunst – die
emotionale Kreativitäts-
theorie“ ISBN 978-3-
639-49675-8
information & emotion
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JUNI 2014 | 31
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