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JAHRE THEATERGRUPPE „DIE FREMDEN“
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„
Ein Park zum Platzen“
information & innovation
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Begeisterung und Humor:
16
| DEZEMBER 2012
D
ie Fremden - war zunächst der
Name einer szenischen Collage,
die sich mit dem Alltag von Mi-
granten in Wien in realistischer und ver-
fremdeter Weise beschäftigte. Mit ihr be-
gann vor mehr als 20 Jahren die Gruppe
ihre Theaterarbeit. Der Titel dieses ersten
abendfüllenden Stücks wurde danach als
Name des Projektes gewählt und behal-
ten und somit gleichermaßen zum Pro-
gramm: „Die Fremden“ - ein Zustand, ein
Gefühl, ein Thema. Und ironische Distanz
zugleich.
Die multikulturelle Theatergruppe wurde
1992
von mir gegründet. Ziel war es zu-
nächst, Menschen, die in Österreich ihre
neue Heimat hatten, durch das Spiel eine
erweiterte Form des Austausches und
der Kommunikation zu geben. Nach und
nach wurde die Gruppe zu einem Pool
von theaterschaffenden Migranten.
Das (teilweise) Fehlen der deutschen
Sprache verlangt eine Konzentration auf
andere Ausdrucksmöglichkeiten. Darin
liegt das große Potential der Gruppe. Die
Darsteller orientieren sich nicht an einem
auswendig gelernten Text, sondern agie-
ren aus der Spontanität des Fühlens und
Handelns. Darstellung ist allen Spielern
eine vertraute Komponente: Bewegung,
Tanz und Pantomime als internationale
Sprache.
Im Laufe unserer 20-jährigen Geschichte
haben bisher 69 Personen aus 37 Län-
dern bei der Theatergruppe mitgewirkt.
Ein Puzzle verschiedener Theaterkulturen
im Rahmen einer mitteleuropäischer The-
atertradition und -landschaft. Eine Me-
ONLINEZEITUNG:
Fotos: © Archiv "Die Fremden"
lange aus Sprachen, Akzenten, Erlebnis-
sen, kulturellen Wurzeln und Tendenzen.
Die Individualität des Einzelnen bleibt im
Ensemble erhalten, braucht sich nicht
dem Produkt unterzuordnen, sondern be-
stimmt dieses. Die geschaffenen Figuren
dominieren ein Stück, und die Anzahl der
Gruppenmitglieder beeinflusst den Ver-
lauf und die Geschichte.
Der Entwicklung der Stücke, der Impro-
visation, dem Gespräch wird viel Zeit
geschenkt. Es gibt eine Idee, meist be-
gründet in persönlichen Erfahrungen und
aktuellen politischen Situationen. Aus
den Figuren, die sich die Gruppenmit-
glieder selbst wählen, formt sich dann ein
roter Faden, eine Struktur, ein Rahmen.
Humor spielt bei den Fremden eine große
Rolle. Humor macht politische Realitäten
erträglich.
„
Wo verdammt
nochmal ist hier
ein Park zum
Platzen“, schreit
unsere polnische
Schauspielerin in
einer Improvisati-
onsprobe, in der
sie eine Autofah-
rerin spielt.
„
Genau hier“,
denke ich. „In
dieser Grup-
pe.“
Von den „Theatertagen am
See" in Friedrichshafen/D
konnten „Die Fremden“
in diesem Jahr mit ihrer
aktuellen Produktion „Happy
im Biss" wiederum den
Theaterpreis 2012 mit nach
Wien nehmen. Dieses Stück
spielen "Die Fremden" noch
bis Juli 2013 auf verschie-
denen Bühnen im deutsch-
sprachigen Raum.
Mag.
a
Dagmar Ransmayr
Pädagogin, Regisseurin und
Gründerin der
Theatergruppe
"
Die Fremden"