information & persönlichkeit
Vom Bewerten und Beurteilen:
Haben Sie sich heute schon geärgert?
Foto: ©
pixabay.com10 | DEZEMBER 2015
ALLES EINE FRAGE DER SICHTWEISE
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015 war ein „tolles“ Jahr für
mich. Meine Partnerschaft –
leider zerbrochen, meine schöne
Dachgeschoßwohnung – musste
ich nach Beziehungsende verlassen,
mein schönes neues Leasingauto – ein
Totalschaden. Und jetzt? Ich könnte
jammern, in Selbstmitleid versinken
und mich fragen, warum ich so eine
Pechsträhne hatte. Aber ich kann
das Ganze auch anders sehen: Meine
Partnerschaft – war gegen Ende sowie-
so nicht mehr sehr harmonisch, meine
Dachgeschoßwohnung – die neue, in
der ich jetzt wohne, passt viel besser zu
mir, nachdem ich sie ganz nach meinem
Geschmack einrichten konnte, mein
Autoschaden – von der Versicherung
bezahlt und der neue Sportwagen, den
ich mir zugelegt habe, macht viel mehr
Spaß.
MODELL VON ALBERT ELLIS
Dieser Perspektivenwechsel basiert auf
einem Modell des amerikanischen Psy-
chologen Albert Ellis. Er beschreibt das
Entstehen von (negativen wie positiven)
Gefühlen in einem dreistufigen Modell.
Als erste Stufe gibt es immer einen
Auslöser, ein „A“. Stellen wir uns vor,
wir treffen eine alte Schulkollegin auf
der Straße und diese erzählt uns, wie
toll ihr Leben verlaufen ist. Ein wun-
derbarer Ehemann, zwei entzückende,
erfolgreiche Kinder und eine tolle Villa
am Stadtrand mit Swimming Pool. Dazu
sieht sie auch noch beneidenswert jung
und fit aus. Nun kommt unsere Stufe 2,
das sogenannte Bewerten und Beurtei-
len, unser „B“. Natürlich kann ich
Mag.
a
Christine Knotek
Trainerin und Coach
www.knotek-training.atmir denken: „Wow, die hat´s aber gut
getroffen, steht viel besser da als ich, ich
beneide sie und bin richtig eifersüchtig.“
Nun hat sich durch unsere Beurteilung
die Stufe 3 entwickelt, nämlich die
„Consequence“, unser „C“. In diesem
Fall sind die Gefühle Neid und Eifersucht
entstanden und hinterlassen in mir eine
unangenehme Spannung.
Aber ich kann auch anders bewerten:
„Ich freue mich, dass es meine Kollegin
so gut getroffen hat, dass sie glücklich
und zufrieden lebt. Ich habe einen ande-
ren Weg gewählt, bin in meinem Beruf
als erfolgreiche Trainerin und privat als
Single ohne Kinder ebenso sehr glück-
lich“. Nun entsteht ein ganz anderes
„C“: das Gefühl von Zuneigung und
eigenem Glücksgefühl.
IST DAS IMMER SO EINFACH?
Natürlich sehen wir in unserem Beispiel,
dass diese Bewertungsreaktionen oft
sehr schnell und unbewusst ablaufen,
und dass wir schneller bei unserem „C“
angelangt sind, als wir denken können.
Aber wenn wir nun wissen, dass wir
eine Wahl haben, können wir öfter mal
innehalten in diesen Denkspiralen, unser
„B“ hinterfragen und vielleicht zum
Positiveren hin verändern.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen viele
herausfordernde Situationen, wo Sie
das Denkmodell testen und hoffentlich
von einem angenehmen „C“ profitieren
können!