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information & erinnerung

DAS PLUMPSKLO WAR

AUF DEM HOF

Meine Oma (1883-1958)

Eine Liebeserklärung:

V

or mir auf dem Schreibtisch

steht der Blumenstrauß den mir

meine Tochter gebracht hat. Es

sind Kornblumen und Gräser. Sie

bringt mir immer ganz besondere Blu-

menfreuden, mit denen sie meine Seele

berührt. Diesmal führt der Weg über die

Kornblumen ins Waldviertel und damit

zu dir. Du Oma warst ein Lichtpunkt

meiner Kindheit. Du und ich,

wir liebten uns. In der Zeit

des 2. Weltkrieges in dem

mein Vater Soldat war und

anschließend in russischer

Gefangenschaft, warst du

mein Hafen, wohin ich mich

vor mütterlicher Strenge

und geschwisterlichem Zank

flüchten konnte. Bei dir gab

es immer Kuchen, es gab

eine Katze und du hattest

eine urgemütliche Unord-

nung.

Im Stall grunzende Schwei-

ne, zwei Kühe, die nur

dir die Milch gaben. Ich

versuchte das Melken

immer wieder, aber bei mir

verweigerten sie sich. Es

standen auch Pferde in dei-

nem Stall und Ochsen. Die

Pferde flößten mir Respekt

ein, die Ochsen waren für

mich uninteressant.

Rund um Stall und Misthaufen stank es

fürchterlich, aber das gehörte eben dazu.

Jahre später, ich lebte damals zwecks

Medizinstudium in Wien, erhielt ich die

Nachricht, dass du mit dem Sterben auf

mich wartest. Ich fuhr nach Hause. Beim

Ankommen mit dem Bus in unserem

Dorf traf ich eine Nachbarin, die mich

folgendermaßen begrüßte: "Guat dass

do san!" Sie erklärte mir, dass Oma nun

endlich sterben könne. Du hast nichts

mehr gesprochen, aber dein Lächeln

zeigte mir, dass du wusstest, dass ich

es war, die dich umarmte. Mutti und ich

teilten uns die Nachtwache. Als ich die

Wache übernahm und deine Hand hielt,

bist du für immer eingeschlafen.

Inzwischen Oma, bin ich allein, die

Eltern, meine große Schwester, der

kleine Bruder sind schon gestorben. Ich

denke viel an euch und gehe sehr gerne

auf Friedhöfe. Da ist Ruhe, da fühle ich

mich euch und vielen Seelen verbunden.

Ich mag diesen morbiden aufdringlichen

Blumenduft im Sommer und die weißen

schneebedeckten Hügel im Winter, die

Kreuze und Grabsteine bis hin zu Monu-

menten. Verfallene Grabstätten neben

herausgeputzten Gräbern, Kindergräber,

Ehrengräber und Gräber berühmter

Persönlichkeiten, sie beeindrucken mich.

Aber wenn ich vor der Gruft stehe, in der

ihr alle die letzte Ruhe fandet, da bin ich

daheim.

Ingeborg Halzl

Schreibpädagogin

Foto: Privatsammlung &

pixabay.com

34 | JUNI 2015