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Mein Freiwilligendienst:
EINEN BESSEREN EINBLICK INS „ECHTE LEBEN“ KANN MAN KAUM
BEKOMMEN
Über ein Jahr voller Dankbarkeit
30 | DEZEMBER 2015
Foto: ©
pixabay.comJessica Menke
Studentin
Krefeld, Deutschland
S
chulabschluss geschafft, was
dann? Die ökonomische Ideal-
antwort würde wahrscheinlich
folgendermaßen aussehen:
Oberstes Ziel ist es schnellstmöglich eine
Ausbildung oder ein Studium zu begin-
nen. Bloß keine Zeit verlieren, keine
Lücken im Lebenslauf riskieren, um den
Berufseinstieg so schnell und unkom-
pliziert wie möglich zu vollziehen. Die
Schulzeit war Vorbereitung genug, jetzt
sollte doch wirklich jeder wissen, wie es
nun weitergeht. Ist das so? Ist mit dem
Schulabschluss auch unsere Persönlich-
keitsbildung soweit fortgeschritten, dass
wir junge Menschen automatisch den für
uns richtigen Weg einschlagen?
Viele von uns können diese Frage sicher-
lich mit einem „ja“ beantworten, denn
für sie hat sich schnell herausgestellt
wo ihre Stärken genau liegen und wie
sie diese in beruflicher Sicht einsetzen
können. Andere hingegen, zu denen
ich mich selber zähle, kommen aus der
Schule und wissen zwar um das immen-
se Angebot, das die Berufswelt bietet,
finden sich selber dort jedoch nicht
wieder. Und jetzt? Einfach mal etwas
studieren, eine Ausbildung beginnen und
schauen, was daraus wird? Da habe ich
eine bessere Idee: Einfach mal ein Jahr
lang einen Freiwilligendienst absolvie-
ren.
Wer die sachliche und kühle Formulie-
rung „ einen Freiwilligendienst absolvie-
ren“ liest, wird völlig zu Recht denken,
dass es sich hierbei um einen lohnens-
werten Beitrag für die Allgemeinheit
handelt.
Diese Worte lassen jedoch nicht im Gering-
sten erahnen, welche Wirkung ein solcher
Dienst auf die eigene Persönlichkeit hat: Kei-
ner kommt dort so raus, wie er reingegangen
ist. Das kann ich versprechen, denn die Flut
an gesammelten Eindrücken wirkt sich noch
einmal ganz anders auf die Persönlichkeits-
bildung aus, als es die schulische Bildung
tat. Dabei muss nicht differenziert werden,
wo genau der Freiwillige eingesetzt ist, denn
eins haben alle Einsatzstellen gemeinsam: Sie
fördern das Verantwortungsbewusstsein und
lehren das „praktische“ Arbeiten. Dort geben
nicht Schulbücher die zu bewältigenden
Aufgaben vor, es gibt Arbeitskollegen, mit
denen Absprachen zu tätigen sind und reale
Arbeitsabläufe müssen erlernt und durchge-
führt werden.
Es gehört Mut dazu sich dem allgemeinen
Leistungsethos zu entziehen und sich eine
Auszeit von einem Jahr zu nehmen. Ein Jahr,
das einen jungen Menschen nicht durch
Noten und berufsbildende Erfolge weiter-
bringt, das jedoch gespickt von Dankbarkeit
und zwischenmenschlicher Wärme ist. Meiner
Meinung nach kann in dem Jahr aufgeholt
werden, was in der Schule meist zu kurz
kommt: Zwischenmenschliche Kompetenz.
Der Blick auf so vieles in unserer Gesell-
schaft ändert sich, wenn man tagtäglich mit
Menschen zusammenarbeitet, die auf Hilfe
angewiesen sind, oder denen man durch die
eigene Tätigkeit einfach eine Freude bereiten
kann. Ich gehe jetzt anders durchs Leben,
zum einen bin ich in meiner Berufswahl
bestärkt, zum anderen hat sich mein Blickfeld
wesentlich erweitert.