Previous Page  30 / 38 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 30 / 38 Next Page
Page Background

information & erziehung

Aus der Eltern-Schule des Lebens:

WENN DIE EIGENE WAHRNEHMUNG AUF DIE ERZIEHUNGSRATSCHLÄGE

ANDERER LEUTE TRIFFT

Darfs ein bisserl mehr sein?!?“

Patricia Weiner

Autorin

Eltern-, und Familien-

beraterin

www.nah-am-leben.at

30 | MÄRZ 2018

Foto ©

pixabay.com

E

ines wissen alle Eltern auf der

Welt: wie die Kinder anderer Leute

erzogen werden sollten.

Als ich heute diesen Satz der Autorin und

Psychologin Alice Miller gelesen habe,

musste ich sehr schmunzeln, da diese

Aussage auch meine jüngsten Erfah-

rungen bestätigen. Wobei ich weiterge-

hen würde und den Eltern auch noch alle

anderen Mitglieder der Gesellschaft ins

Boot setzen würde. Meint: Egal wo, egal

wann, als Eltern trifft man immer wieder

auf kritisch blickende, kopfschüttelnde,

ungefragt ratschlagende, dir dein eigenes

Kind erklärende Zaungäste.

Irrelevant ob selbst kinderreich oder

kinderlos, waren wir doch alle Empfän-

gerInnen von erzieherischen Maßnahmen

und haben ganz genaue Vorstellungen

davon wie Kind zu funktionieren hat.

Gibt es augenscheinliche „Funktionsde-

fizite“ beim Kind liegen die Schuldigen

dafür doch auf der Hand – die Eltern oder

derzeitigen BegleiterInnen des Kindes.

Zum Wohle der Gesellschaft fühlt sich

so manche/r gezwungen einzuschreiten.

Bewertungen, Feststellungen, Analysen

des Kindes, unterschwellige Vorwürfe,

Erläuterungen wie es denn damals bei

den eigenen Kindern gewesen sei – alles

ist am Jahrmarkt der Erziehungsratschlä-

ge zu bekommen. Und das Beste – all

das gibt es unlimitiert verfügbar und

kostenlos.

So bekam unlängst die Mami einer

kleinen Zahnputz-Verweigerin von einem

engagierten Zahnarzt eine pädagogische

Unterweisung serviert. Und das ganze als

kostenlose Draufgabe zur neuen Zahnfül-

lung. Die ursprüngliche Frage der Mami,

ob es aus medizinischer Sicht Hilfsmittel

gäbe, welche die Zahnpflege der sich

sträubenden 1-Jährigen erleichtern

würden, spielte dabei eine Nebenrolle.

Schließlich handle es sich dabei ja nicht

um ein medizinisches, sondern um ein er-

zieherisches Problem, so der pädagogisch

interessierte Zahnmediziner.

Die fehlende Durchsetzungskraft der

Eltern sei das Problem in diesem Falle,

Rituale und Belohnungen sollen zum

Einsatz gebracht werden.

Die Bemerkung der Mami, dass es hier

nicht um pädagogische Ratschläge, son-

dern um medizinisches Wissen handle,

nachdem gefragt wurde, ging in der

Masse der zahlreichen erzieherischen

Inputs unter.

Der Besuch am Jahrmarkt der Erziehungs-

ratschläge habe ja gerade erst begonnen.

Dass die Mami selbst über genügend

fundiertes Wissen verfügt, um so man-

chen Ratschlag gekonnt zu entwaffnen,

behielt sie für sich.

Der Gedanke gefiel ihr, den Trubel am

Jahrmarkt zu beobachten, ohne das

Angebot anzunehmen. Denn obwohl