Previous Page  32 / 38 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 32 / 38 Next Page
Page Background

information & erinnerung

Frauentag:

Leipzig-Seehausen, 1980er Jahre

MEIN MANN LIESS SICH ZU EINEM FRAUENTAG ETWAS GANZ BESONDERES

EINFALLEN

D

er 8. März war in der DDR ein

besonderes Datum. Alljährlich

wurde an diesem Tag der Inter-

nationale Frauentag begangen

und in allen Betrieben den Frauen für

ihre Leistungen gedankt. Das begann

morgens mit einem persönlichen Glück-

wunsch der Leitung für jede Kollegin und

dem Überreichen einer Nelke. Am späten

Vormittag kamen die Kleinen aus dem

Kindergarten und brachten Muttis und

Omas ein Ständchen. Beliebt war das

Lied:

„Wenn Mutti früh zur Arbeit geht

dann bleibe ich zu Haus’.

Ich räume meine Sachen auf

und feg’ die Stube aus.

Das Essen machen kann ich nicht,

dafür bin ich zu klein,

doch Staub hab’ ich schon oft

gewischt,

da wird sich Mutti freu’n.“

Und Mutti freute sich. Natürlich freuten

sich auch die Kinder über ein paar

Süßigkeiten. Die größeren Mädchen und

Jungen hatten in der Schule im Zeichen-

und Werkunterricht kleine Geschenke

gebastelt, die sie dann stolz zu Hause

ihren Müttern verehrten.

Schwierig waren die Bemühungen der

Männer, frische Schnittblumen aufzutrei-

ben. In dieser Jahreszeit, wo die Natur

noch äußerst wenig an Blühendem zu

bieten hat, konnte man in den Blu-

mengeschäften außer Topfpflanzen

meist nichts kaufen. In der Zeit vor dem

Frauentag wurde obendrein noch jede

Schnittblume aufgespart, damit am 8.

März wenigstens für die Betriebe die

immer gleichen roten Nelken zur Hand

waren und vielleicht der eine oder an-

dere Glückliche sogar noch ein mageres

Sträußlein im Laden ergattern konnte.

Für die meisten Männer war guter Rat

teuer und „Bück-dich-Ware“, für beson-

ders gute Kunden und Bekannte unter

dem Ladentisch versteckt. „Vitamin B“

– also Beziehungen – verhalfen manch-

mal zu ein paar Tulpen. Meinem Mann

war das Alles viel zu zeitaufwendig. Er,

der Praktiker, ließ sich etwas anderes

einfallen: Von mir unbemerkt, pflanzte

er bereits im Herbst im Vorgarten ein

Schneeglöckchenherz, das auch zum

richtigen Zeitpunkt blühte. Das war eine

Überraschung! Jetzt hat der Muttertag

auch in den neuen Bundesländern einen

höheren Wert als der Frauentag. Mir

aber gefiel, daß damals allen Frauen für

ihre Arbeit gedankt wurde, auch denen,

die keine Kinder hatten. Denn wie hatte

so manche von uns damals schon trotz

aller Frauentagsehrung erkannt:

Frau zu sein ist schwer:

Man muß denken wie ein Mann,

sich geben wie eine Dame,

aussehen wie ein junges Mädchen

und arbeiten wie ein Pferd.

Meine persönliche Frauentagsfreude

habe ich immer noch an jedem 8. März.

Ein Blick in den Garten genügt, und da

nicken mir die weißen Köpfchen der

Schneeglöckchen an ihren schlanken

grünen Stengeln zu: Ein wahrhaft herz-

licher Glückwunsch! Seit vielen Jahren

habe ich meine Freude an dem Schnee-

glöckchenherz.

Bärbel Böhme

Autorin: Jugendfoto

zur Verfügung gestellt vom

Zeitgut Verlag GmbH

Klausenpaß 14, 12107 Berlin

www.zeitgut.de

32 | MÄRZ 2018

Foto © Archiv-Verlag Zeitgut

Hier schaut unsere älteste Enkeltochter

Patricia nach dem blühenden Herz.