information & erinnerung
Frauentag:
Leipzig-Seehausen, 1980er Jahre
MEIN MANN LIESS SICH ZU EINEM FRAUENTAG ETWAS GANZ BESONDERES
EINFALLEN
D
er 8. März war in der DDR ein
besonderes Datum. Alljährlich
wurde an diesem Tag der Inter-
nationale Frauentag begangen
und in allen Betrieben den Frauen für
ihre Leistungen gedankt. Das begann
morgens mit einem persönlichen Glück-
wunsch der Leitung für jede Kollegin und
dem Überreichen einer Nelke. Am späten
Vormittag kamen die Kleinen aus dem
Kindergarten und brachten Muttis und
Omas ein Ständchen. Beliebt war das
Lied:
„Wenn Mutti früh zur Arbeit geht
dann bleibe ich zu Haus’.
Ich räume meine Sachen auf
und feg’ die Stube aus.
Das Essen machen kann ich nicht,
dafür bin ich zu klein,
doch Staub hab’ ich schon oft
gewischt,
da wird sich Mutti freu’n.“
Und Mutti freute sich. Natürlich freuten
sich auch die Kinder über ein paar
Süßigkeiten. Die größeren Mädchen und
Jungen hatten in der Schule im Zeichen-
und Werkunterricht kleine Geschenke
gebastelt, die sie dann stolz zu Hause
ihren Müttern verehrten.
Schwierig waren die Bemühungen der
Männer, frische Schnittblumen aufzutrei-
ben. In dieser Jahreszeit, wo die Natur
noch äußerst wenig an Blühendem zu
bieten hat, konnte man in den Blu-
mengeschäften außer Topfpflanzen
meist nichts kaufen. In der Zeit vor dem
Frauentag wurde obendrein noch jede
Schnittblume aufgespart, damit am 8.
März wenigstens für die Betriebe die
immer gleichen roten Nelken zur Hand
waren und vielleicht der eine oder an-
dere Glückliche sogar noch ein mageres
Sträußlein im Laden ergattern konnte.
Für die meisten Männer war guter Rat
teuer und „Bück-dich-Ware“, für beson-
ders gute Kunden und Bekannte unter
dem Ladentisch versteckt. „Vitamin B“
– also Beziehungen – verhalfen manch-
mal zu ein paar Tulpen. Meinem Mann
war das Alles viel zu zeitaufwendig. Er,
der Praktiker, ließ sich etwas anderes
einfallen: Von mir unbemerkt, pflanzte
er bereits im Herbst im Vorgarten ein
Schneeglöckchenherz, das auch zum
richtigen Zeitpunkt blühte. Das war eine
Überraschung! Jetzt hat der Muttertag
auch in den neuen Bundesländern einen
höheren Wert als der Frauentag. Mir
aber gefiel, daß damals allen Frauen für
ihre Arbeit gedankt wurde, auch denen,
die keine Kinder hatten. Denn wie hatte
so manche von uns damals schon trotz
aller Frauentagsehrung erkannt:
Frau zu sein ist schwer:
Man muß denken wie ein Mann,
sich geben wie eine Dame,
aussehen wie ein junges Mädchen
und arbeiten wie ein Pferd.
Meine persönliche Frauentagsfreude
habe ich immer noch an jedem 8. März.
Ein Blick in den Garten genügt, und da
nicken mir die weißen Köpfchen der
Schneeglöckchen an ihren schlanken
grünen Stengeln zu: Ein wahrhaft herz-
licher Glückwunsch! Seit vielen Jahren
habe ich meine Freude an dem Schnee-
glöckchenherz.
Bärbel Böhme
Autorin: Jugendfoto
zur Verfügung gestellt vom
Zeitgut Verlag GmbH
Klausenpaß 14, 12107 Berlin
www.zeitgut.de32 | MÄRZ 2018
Foto © Archiv-Verlag Zeitgut
Hier schaut unsere älteste Enkeltochter
Patricia nach dem blühenden Herz.