information & kunst
Dipl.-Ing. Alexander Ristic
Internationaler
Kunstliebhaber
REFORMATOR DER SAKRALEN BILDHAUEREI
Bruno Gironcoli
Neuentdeckter österreichischer Bildhauer:
28 | MÄRZ 2018
Fotos: © DI Alexander Ristic
B
runo Gironcoli, geboren 1936
in Villach, aufgewachsen in
Kärnten und Tirol, hatte nach
einer Goldschmiedlehre Malerei
bei Eduard Bäumer an der „Ange-
wandten Hochschule“ in Wien studiert.
Gironcoli gehört zu den eigenwilligsten
und zukunftsweisenden Künstlerper-
sönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.
Der Bildhauer war für sein komplexes,
irritierendes Werk bekannt.
Anfang der 1960er-Jahre kam es in Paris
zu einer Begegnung mit dem Künstler
Alberto Giacometti, aus dessen archai-
schen Werken auf der Basis seiner Idole
von den Kykladen und Etruskern sich
Gironcoli seine eigene originelle Mi-
schung einer futuristischen Prähistorie
schuf. 1977 übernahm Gironcoli die
Bildhauerklasse von Fritz Wotruba an
der Akademie der bildenden Künste. Er
leitete bis 2004 erfolgreich die Meister-
schule für Bildhauerei.
In der Konfrontation von grafischem
und plastischem Werk zeigt sich, dass
Gironcoli seine Konzeption von Bildhau-
erei – von Dinglichkeit und Materialität
eigenwillig umsetzt. Er reflektiert dort
beispielsweise die Eigenschaften von
unterschiedlichen Aggregatzuständen
und Werkstoffen oder auch das Verhält-
nis von gleichen und ungleichen Körpern
zueinander sowie zum umgebenden
Raum. Modi des Verbindens, Verknüp-
fens und Verkettens spielen eine zentrale
Rolle. Auffällig ist die Faszination des
Künstlers für das Schematische: für eine
Ausdruckshaftigkeit, die nicht aus der
Tiefe, sondern in der Fläche wirkt.
Eine Skulptur ist für mich Endpunkt eines
Gedankenganges", erläuterte der Künst-
ler einmal den Entstehungsprozess seiner
beklemmenden, überwältigenden und
einzigartigen Aneinander- und Ineinander-
fügungen von Formen und Figuren.
Gironcoli machte das Persönliche all-
gemein und das Allgemeine zu seinen
persönlichen Obsessionen: die Mutter,
Kindsein als Verlorengehen in der Klein-
bürgerlichkeit; Sex, Scheitern, Glück, Tod.
"Ich messe dem Ringen um das mensch-
liche Abbild auch große Bedeutung bei,
nur wende ich nicht diese Formhülse
Menschenbild dafür an. Ich versuche, in
Umschreibungen, in Umwegen das Men-
schenbild zu erfassen", sagte er einmal.
Heute stehen die organisch wirkenden,
tonnenschweren Aufbauten im eigenen
Museum auf Schloss Herberstein und im
„Gironcoli-Kristall“ im Strabag-Kunstfo-
rum Donauplatte. Entziffern? Kann sie
trotzdem niemand restlos – sie leben von
der ausgefeilten Privatmythologie des
Bildhauers, dem heute so zeitgemäßen
Merkmal einer österreichischen Künstler-
generation, zu der auch Hermann Nitsch
oder Walter Pichler zählen.
Was an Bruno Gironcoli vielleicht am
meisten berührte, war die unglaubliche
Zartheit und Eleganz seiner Gedanken.
Er war ein sensibler Gesprächspartner,
umfassend klug, doch nie herablassend;
humorvoll, aber nie zynisch. Und er war
ein großartiger Lehrer. Bruno Gironcoli
starb 2010 in Wien und wurde am Wiener
Zentralfriedhof in einem Ehrengrab bestat-
tet.
Acht Jahre nach seinem Tod zeigt mumok
- Museum moderner Kunst - eine um-
fassende und beeindruckende Schau der
Arbeiten von Bruno Gironcoli.
Empfehlung:
Ausstellung Bruno Gironcoli
„In der Arbeit schüchtern
bleiben…“
Ausstellungsdauer 3. Februar bis
27. Mai 2018
Museum moderner Kunst -
Stiftung Ludwig Wien
Museumsplatz 1, 1070 Wien