information & entwicklung
Die blöde Zahnspange:
ES BRAUCHT VIEL MUT UND EIN STARKES SELBSTWERTGEFÜHL
Erziehung ist (k)ein Kinderspiel
Illustration: © Eugen Kment
16 | JUNI 2015
Mag.
a
Maria Neuberger-
Schmidt
Autorin und Gründerin
Verein Elternwerkstatt
www.elternwerkstatt.atM
it knapp 13 Jahren wird Henry
über Sinn und Zweck der fixen
Zahnspange aufgeklärt. Doch
kaum beginnt er sich daran zu
gewöhnen, verweigert er eines Tages
total. Er „flippt aus“ als ihn die Mutter
daran erinnert, seine Zähne bei fixer
Spange besonders gewissenhaft zu put-
zen. Als sie nachfragt, erfährt sie, dass
er von einigen Mädchen in seiner Klasse
gehänselt wurde. Das Ding muss weg!
Je mehr sie versucht ihm gut zuzureden,
geht er in Opposition und macht zu.
Mit 13 ist Henry am Be-
ginn der Pubertät. Der
Gruppendruck spielt
eine enorme Rolle,
besonders wenn sein
noch labiles Selbst-
wertgefühl ange-
kratzt wird. Es han-
delt es sich um eine
äußerst emotionale
Sache. Das weiß die
Mutter zwar, doch
ihre Hilfe bewirkt
genau das
Gegenteil von
dem, was sie
erreichen will.
Warum?
GESPRÄCHSFALLE: DER SCHNELLE
TROST, DER GUTE RAT
Um Kinder zu helfen, mit ihren Emoti-
onen klar zu kommen, dürfen wir ihnen
ihre Gefühle nicht ausreden, zum Bei-
spiel durch schnellen Trost („Mach dir
nichts daraus!“) sondern sie akzeptieren
und ernst nehmen. Wenn Henry sich
verstanden fühlt, kann sie einen Prozess
einleiten, der durch „Spiegeln“ (Wie-
derholen, zur Kenntnis nehmen, Gefühle
beschreiben), Nachfragen und Hinterfra-
gen zum Nachdenken undschließlich zur
Einsicht führt. Das könnte sich in etwa
so anhören:
Henry: „Alle machen sich über mich lu-
stig! Ich will das Ding wieder los haben!
Ich pfeiff auf Zahnregulierung!“ Mutter:
„Du willst dich keinesfalls lächerlich
machen…“ Henry: „Sicher nicht!“
Mutter: „Wer genau hat dich gehän-
selt?“ Henry: „Die Lisa, die Suse und
die Irene.“ Mutter: „Ihre Meinung ist dir
total wichtig!“ Die Mutter bringt es auf
den Punkt, ohne zu bewerten. Henry:
„Das nicht!“ usw.
Jetzt nimmt das Gespräch die entschei-
dende Wende, weil Henry „psycho-
logischer-weise“ widerspricht und
damit die Sinnlosigkeit seiner
Reaktion erkennen kann. Nur wenn
er selbst zum Schluss kommt, dass
die Zahnspange wichtig und das
Gerede der anderen nebensäch-
lich ist, hat er einen Schritt in
Richtung Persönlichkeitsentwick-
lung getan und geht gestärkt aus
der Krise hervor. Die Eltern können
dabei unterstützen, aber sie dürfen
nicht bevormunden.