Rudern für Menschen mit Behinderung:
WENN SCHEINBARE HÜRDEN ZUM ANTRIEBSSTOFF WERDEN
33 | JUNI 2018
W
enn ich meinen Freunden er-
zähle, dass man beim Rudern
mit dem Rücken in Fahrtrich-
tung sitzt, dann wundern sie
sich. Wenn ich ihnen sage, dass beim
Rudern die Beine wichtiger sind als die
Arme, sind sie verwirrt. Und wenn ich
ihnen schließlich stolz verkünde, dass
auch blinde Menschen gefahrlos rudern
können, glauben sie mir nicht.
MEINE BEGEGNUNG MIT DAVID
David ist so alt wie ich und rudert seit
zwei Jahren. Sein Gesicht strahlt, wenn
er vom Training erzählt. Er liebt den
Sport, aber auch die Menschen, die er
dabei kennenlernt. Er erzählt mir, dass
er noch nie einen Ruderer oder eine
Ruderin getroffen hat, der oder die nicht
nett gewesen wäre. Und bis jetzt hat er
noch kein einziges Mal erlebt, dass ihm
jemand nicht geholfen hätte. Denn David
ist seit einigen Jahren blind.
Ich lerne David bei einer Ruderregatta
am Mondsee kennen. 10 Kilometer
müssen so schnell wie möglich in Zwei-
erbooten gerudert werden. David sitzt
am „Schlag“, das heißt auf der Position,
an der er den Ruderschlag angibt. Seine
Ruderpartnerin sitzt hinter ihm, also in
Fahrtrichtung vorne. So muss nur sie
sich während des Ruderns umdrehen,
um anderen Booten auszuweichen und
den richtigen Weg auf dem Wasser zu
nehmen. David hingegen kann sich nur
auf das Rudern und die gelegentlichen
Worte seiner Partnerin konzentrieren.
Nach etwa vier Kilometern überholen
die beiden mich und meine Schwester in
unserem Boot und kommen vor uns ins
Ziel.
Para Rowing
RUDERN MIT EINEM BLINDEN
Nach der Regatta rufen David und ich uns zu-
sammen und treffen uns für eine Ruderausfahrt
auf der Alten Donau. Beim Tragen des Bootes
warne ich ihn, wenn vor seinen Füßen ein Hindernis auftaucht und beim
Einfädeln der Ruder sage ich ihm, ob er gerade das rechte oder linke
Ruder in der Hand hält. Dann setzen wir uns ins Boot und stoßen uns vom
Steg ab. Innerhalb weniger Minuten habe ich vergessen, dass er blind ist.
Wie die Ruderpartnerin am Mondsee sitze auch ich am Bug des Bootes,
auf der ersten Position in Fahrtrichtung, also hinter David. Nachdem
wir alles im Boot richtig eingestellt haben, beginnen wir zu rudern. Wir
trainieren eineinhalb Stunden. 90 Minuten höchster Konzentration, viel
Schweiß und Anstrengung der Muskeln, aber auch neunzig Minuten voller
Spaß, Leidenschaft und dem unbeschreiblichen Gefühl, wenn das Boot
endlich „läuft“.
David trainiert jeden Tag. Rudern ist für ihn mehr als nur ein Sport. Es ist
eine Leidenschaft, ein Sinn im Leben, eine Herausforderung. Und seine
Blindheit? Die stört nicht. Ganz im Gegenteil: dadurch spürt er das Boot,
die anderen Ruderer und selbst das Wasser viel intensiver.
Rudern bietet nicht nur Blinden eine ideale Möglichkeit Sport zu betrei-
ben, sondern auch Menschen, die zum Beispiel im Rollstuhl sitzen oder
nur ein Bein haben.
Hast auch du (oder jemand, den du kennst) eine körperliche Behinderung
oder Beeinträchtigung und möchtest dennoch sportlich aktiv sein? Dann
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