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Kinder brauchen Sicherheit:

Ist „Kind sein“ noch schön?

!

information & lernen

Andrea Theyrer

Dipl. Kinder- und

Jugendbetreuerin

Stresscoach

Burn-Out Prävention

lebenswert.coach@gmail.com

S

okrates soll einst gesagt haben:

"Sie (die heutige Jugend) hat

schlechte Manieren, verachtet die

Autorität, hat keinen Respekt vor

den älteren Leuten und schwatzt, wo sie

arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen

nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer

betreten.“

War es immer schon so um unsere

Kinder und Jugendlichen bestellt? Haben

die Menschen Recht wenn sie meinen,

das war doch schon immer so und wird

auch so bleiben?

Der 1955 geborene Autor des umstrit-

tenen Bestsellers, "Warum unsere Kinder

Tyrannen werden," Michael Winterhoff,

sagt dazu klar „Nein“! In seinem aktu-

ellen Werk "SOS Kinderseele" fordert er,

der Blick muss weg von der Pädagogik,

hin zur Entwicklungspsychologie.

Bedeutend wichtiger als die perfekte

schulische Ausbildung ist den Kindern

emotionale und soziale Kompetenz bei-

zubringen, ihre empathischen Fähigkei-

ten zu schärfen.

Ich erlebe es als Nachmittagsbetreuerin

jeden Tag. Zu beobachten ist, dass zum

Beispiel das Mitgefühl zum Mitschüler

fehlt, der wegen der eben an den Kopf

geworfenen Beleidigung seiner Familie

weint.

Wenn ich das klären möchte und den "Belei-

diger" auf seine Tat aufmerksam mache, höre

ich oft, „das ist mir egal“. Wenn einer dem

zufällig daneben stehenden Schulfreund einen

Tritt verpasst, gibt es Kommentare, wie: „Er hat

mich aber blöd angeschaut.“ Auf die Frage nach

dem Sinn der Aktion bzw. die Konsequenz für

die Handlung gibt es wieder ein „ist mir egal.“

Was heißt das, „ist mir egal“? Ich rede sehr viel

mit den Kindern, in einem geschützten Rahmen,

unter vier Augen. Versuche zu erfahren warum

beleidigt und geschlagen wird. Einer der Jungen

sagte mir, weil ihm langweilig war. Später gab

er zu, dass er bei Beleidigungen sehr aggressiv

wird. Ich habe ihm vorgeschlagen, aus dieser

Situation wegzugehen, und zum Beispiel gegen

eine bei uns im Raum befindliche Couch zu

schlagen. Er hat das dann tatsächlich versucht,

und es hat geklappt. Stolz erzählte er mir von

seinem Erfolg.

Hellhörig wurde ich als ich von mehreren Kin-

dern gefragt wurde: „Warum bist du so lieb zu

uns“?

„Sind das die anderen Erwachsenen nicht“?

„Nein“, war die klare Antwort. Leben also

Erwachsene den Kindern Aggressivität und

Unfreundlichkeit vor? Lernen Erwachsene den

Kindern nicht mehr die Werte, welche Höflichkeit

und gewaltfreie Konfliktlösung bedeuten?

Ich werde das Thema auch in der nächsten Aus-

gabe behandeln. Es wäre mir eine Freude wenn

Sie mir Ihre Erfahrungen mitteilen würden.

DIE EMOTIONALE UND SOZIALE ENTWICKLUNG UNSERER KINDER

19 | DEZEMBER 2015

Foto: ©

pixabay.com