information & bewusstsein
Genau das möchte ich:
MIT SPRACHE KANN ICH VIELES BEWIRKEN. ICH KANN ILLUSIONEN UND
WAHRHEITEN ZERSTÖREN, ICH KANN ABER AUCH MENSCHEN HEBEN UND
REIFEN LASSEN
Aus: „Einfach Reden“
Foto: © Serhiy Kobyakov -
Fotolia.com7 | JUNI 2015
I
ch liebe das Wort. Es kann eine
unglaubliche Kraft entwickeln.
Und damit viel verändern. „Ich
liebe Dich“. Einer der einfachsten
und kürzesten Sätze. Drei Wörter, die
alles sagen. Jedes weitere wäre über-
flüssig.
„Überflüssig“, welch schönes, bildhaftes
Wort! Ein Zuviel. Reichtum.
Nur die ganz einfachen Sätze sind es,
die sich einen Weg aus dem Dschungel
bahnen. Nur durch ihre Schlichtheit er-
reichen sie unser Ohr. Achten Sie einmal
auf die Länge von Sätzen. Nach dem
dritten Nebensatz möchten Sie nicht
mehr zuhören. Zu viel. Von allem. Nichts
verstanden. Keine klaren Botschaften.
Niemand zeigt Kontur, oder bezieht
eine klare Position. Das Resultat sind
leere Wahllokale. Wir sind nicht dumm.
Wir spüren die Absicht. Nicht im Kopf,
sondern im Bauch.
Unsere Sprache funktioniert nämlich
vor allem intuitiv, das heißt, unbewusst.
Ein Betrug ist definitiv nicht möglich, so
einfach ist das.
Über das Schweigen: Wenn Sie Musik
hören, dann kennen Sie Noten. Sie ken-
nen auch die Pausen. Da passiert einfach
nichts.
Es ist der Moment der Wirkung. Ein
Stillstand. Es wird kurz Nacht.
In der Sprache ist es genauso. Pausen
sind ein Stilmittel, sie regen die Fantasie
an. Warum ist es still? Warum sagt er/
sie nichts?
Die Gedichte von Erich Fried sind des-
halb so interessant, weil er vieles
einfach weggelassen hat. Es sind fast
schweigende Gedichte und sagen
deshalb so viel. Alle wirklich großen
Momente sind still. 1994 verbrachte ich
ein Jahr in Los Angeles. Als ich mich im
Frühjahr von meiner 91 jährigen
Großmutter verabschiedete, gab es
keine Worte. Wir wussten alles. Über
uns schwebte die Frage, ob wir uns
jemals wieder sehen würden. Wir hatten
aber nichts davon ausgesprochen. Wir
umarmten uns schweigend und ich ver-
ließ mit versteckten Tränen ihr Haus. Als
ich im Herbst wiederkam, stand sie bei
der Begrüßung mit offenen Armen da.
Wortlos. Erleichterte Begrüßung.
Worte als Waffen: Leider richtet jede
Waffe Schaden an. Jede mit unterschied-
lichem Ausmaß. Worte gehören dazu.
Sie können Menschen damit innerlich
ruinieren. In Sekunden, Minuten. Diese
Waffe steckt im Kiefer, zwischen den
Stimmbändern, im Kopf und in der
Lunge.
Sie können Freundeskreise, Partner-
schaften, Parteien und Familien spren-
gen. Für immer. (immer: welch ein
langes Wort…!)
Und wenn nicht für immer, dann sicher
für sehr lange.
Sie brauchen – laut Untersuchungen
– mindestens die achtfache Menge an
lieben Worten, um alles wieder auszu-
gleichen. Mit „schönen“ Worten können
Sie verzaubern, stärken und damit
heben. Sie können jemanden
Flügel anlegen. Die raue Realität ver-
gessen lassen. Entführen, verführen und
ausführen…
Felix Kurmayer
Schauspieler, Studiosprecher
und Kommunikationstrainer
www.felix-kurmayer.atFoto © Roman Katoch