information & tradition
Unterschiedliche Weltanschauungen:
ZU WEIHNACHTEN GETANZT IM SCHNEE, ZU OSTERN FROST IM ZEH
(WILHELM BUSCH)
Gedanken zu Ostern
Mag. Jacques A.
Mertzanopoulos
GF Arthur Hunt
Human Resources
Consulting, Wien
D
a sich „Lernen mit Zukunft“
mit Lernen beschäftigt und wir
uns heute und auch in Zukunft
damit auseinandersetzen sollten,
wie das Zusammenleben verschiedener
Religionsgemeinschaften in Österreich
nicht nur friktionsfrei, sondern auch im
ökumenischen Sinn „befruchtend“ sein
sollte, habe ich mir überlegt wie der
Koran mit dem Karfreitag und Ostern
umgeht.
In den Augen des Koran ist Christus
ein Prophet und Gesandter Gottes.
Gesandte Gottes können aber nicht von
Menschenhand, also gewaltsam getötet
werden. Der Koran hat keine Schilderung
des Lebens Jesu, so wie wir das aus
dem Neuen Testament kennen, sondern
der Koran hat hauptsächlich einzelne
Sprüche Jesu. Von daher gibt es keine
Passionsgeschichte im Koran und auch
keine Darstellung dessen, was am Kar-
freitag passiert ist. Es gibt einen einzigen
sogenannten Kreuzigungsvers im Koran,
in Sure Vers 157, und das sind wenige
Worte die so kryptisch sind, mit geheim-
nisvollen Charakter, dass die Ausleger
des Korans in all den Jahrhunderten
unendlich viele Theorien zu diesem
Thema diskutiert haben, was denn nun
tatsächlich gemeint sei.
Es gibt drei Haupttheorien, wie dieser
Vers auszulegen sei. Die Mainstream-
Auffassung, der die meisten Muslime
heute anhängen, besagt, dass diese
wenigen Koranworte bezeugen, dass
Jesus nicht gekreuzigt wurde, sondern
ein Ersatzmann, ein Stellvertreter an
seiner statt, sodass dann diese Verse so
zu übersetzen wären:
"Es wurde nicht er gekreuzigt, sondern ein ande-
rer an seiner Stelle". Natürlich gibt es, weil dieser
Ersatzmann ja auch nicht explizit im Koran erwähnt
wird, wieder zahlreiche Spekulationen darüber, wer
denn jetzt dieser Ersatzmann gewesen sein soll, und
da ist wiederum die häufigste Auffassung die, dass
es Judas gewesen sei. Das ist die Auffassung, die
heute die allermeisten Muslime vertreten, obwohl
wie gesagt im Koran selber weder dieser Ersatz-
mann erwähnt wird geschweige denn sein Name
oder auch der Name Judas überhaupt vorkommt.
13 | MÄRZ 2016
Foto: ©
pixabay.comJesus war ein Mensch, ein Prophet und sogar Gesandter Gottes, der also
nicht gewaltsam getötet werden konnte. Es geht daher nicht darum, dass
Jesus sterblich ist, sondern es geht darum, dass Jesus nicht am Kreuz starb,
weil das einem Gesandten Gottes nicht passieren kann.
Wir sprechen heute viel von Flüchtlingen, vor der Gefahr des Islams, doch
ich bin überzeugt, wenn wir uns ein wenig mit den unterschiedlichen An-
schauungen beschäftigen, muss die Angst gar nicht so groß sein.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen geneigte Leserinnen und Leser, ein
frohes und gesegnetes Osterfest 2016!