Nicht unumstritten:
AUS SICHERHEITSGRÜNDEN GIBT ES DIVERSE GESETZLICHE
BESCHRÄNKUNGEN
Fortpflanzungsmedizin-
gesetz (FMedG):
https://www.ris.bka. gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=
Bundesnormen&Gesetzes
nummer=10003046
information & gesundheit
Thomas Kolbe
Fachwissenschaftler
für Versuchstierkunde,
Ass.-Prof. für die
Service-Plattform
Biomodels Austria
Veterinärmedizinische
Universität Wien
Textverarbeitung für Gene
Foto: ©
pixabay.comD
ie Technologie, Gene im Erbgut
von Tieren und Pflanzen zu
verändern, ist mittlerweile gut
30 Jahre alt. Ideen für ihren
sinnvollen Einsatz sind vielfältig: Von der
Biomedizin über Tier- und Pflanzenzucht
bis zur Sanierung verseuchter Umwelt
oder die Eindämmung von Parasiten.
Am Menschen sind genetische Verän-
derungen höchstens zur Behandlung
einzelner kranker Gewebe oder Organe
zulässig. Weltweit ist eine dauerhafte
Veränderung am menschlichen Erb-
gut über die Keimzel-
len (Spermien und
Eizellen) verboten.
Das bedeutet für
Träger einer Erb-
krankheit, dass sich
auch ihre Kinder im Falle
einer Vererbung dieser
Krankheit einer entspre-
chenden Therapie unterziehen
müssen.
Vor ca. 2 Jahren wurde nun ein
gentechnisches Verfahren entdeckt, mit
welchem man gezielt ganze Gruppen
von Genen auf einmal dauerhaft ver-
ändern kann. Dieses Verfahren wird als
Gen-Editieren (Genome Editing) bezeich-
net, in Anlehnung an das Bearbeiten
von Texten am Computer. Chinesische
Wissenschaftler haben letztes Jahr eine
Linie überschritten, vor der alle anderen
Forscher aus moralischen Bedenken,
aus Sicherheitserwägungen und auf-
grund gesetzlicher Beschränkungen Halt
gemacht haben: Sie haben das Gen-Edi-
tieren bei einem menschlichen Embryo
angewendet und
damit eine dauerhafte genetische Veränderung im
menschlichen Erbgut verankert! Diese Embryonen
waren allerdings von Anfang an nicht lebensfähig,
es haben sich also keine Babys aus ihnen entwi-
ckeln können. Die Wissenschaftler haben eine
erbliche Bluterkrankung repariert, aber genauso
gut könnte man alle anderen menschlichen Eigen-
schaften, deren genetische Grundlage bekannt ist,
nach Belieben verändern.
In Großbritannien geht man gerade einen Schritt
weiter: Es
wurde gesetzlich erlaubt, diesel-
be Technologie an gesunden
menschlichen Embryonen
anzuwenden! Es leuchtet
ein, dass es sinnvoller ist,
Gendefekte ein für alle Mal
in betroffenen Familien auszu-
merzen, als in jeder Generation
alle betroffenen Personen zu
behandeln. Aber die Grenze von
der Entfernung von Brustkrebsgenen
über die Senkung eines Risikos für
Depressionen bis zur erwünschten
Haar- oder Augenfarbe ist fließend.
Und die Auswirkungen solcher Manipu-
lationen im Erbgut lassen sich heute noch
nicht ermessen. Die Auswahl eines gesun-
den Embryos durch die Präimplantationsdiagnos-
tik, die Testung der Embryonen auf Erbdefekte, ist
heute möglich und wäre der gefahrlosere Weg,
vorausgesetzt, es gibt unter den untersuchten
Embryonen gesunde.
Gerade erst wurde gezeigt, dass sich sogar Um-
welteffekte wie z.B. die Ernährung eines Men-
schen über die Gene bis in die nächste Generation
auswirken! So etwas geschieht unwillkürlich
seit Menschengedenken, wir akzeptieren es als
Natur oder Schicksal. Wollen wir aber durch unser
aktives Tun die Verantwortung für solche dauer-
haften Effekte auf uns nehmen, wenn wir jetzt
gezielt im menschlichen Erbgut herumstochern?!
15 | MÄRZ 2016