information & entwicklung
Sei anders:
ANGENOMMEN SEIN UND WERTGESCHÄTZT WERDEN
Erziehung ist (k)ein Kinderspiel
Illustration: © Eugen Kment
16 | JUNI 2016
Mag.
a
Maria Neuberger-
Schmidt
Autorin und Gründerin
Verein Elternwerkstatt
www.elternwerkstatt.atFoto: Ingrid Perger
Elternwerkstatt
S
ei nicht so schlimm! - „Sei nicht
gleich so beleidigt!“ „Du bist so
begriffsstutzig!“ „Wie kannst du
nur dauernd so blöd grinsen!“
- All diese Bemerkungen verunsichern
Ihr Kind und lösen Minderwertigkeits-
gefühle und Abwehrmechanismen
aus. Sie geben ihm keine po-
sitive, motivierende Kraft.
Sie haben sich Ihr Kind
ganz anders vorge-
stellt? Pflegeleicht,
freundlich, intelligent?
Womöglich sieht es
aber der Schwieger-
mutter ähnlich, ist faul,
langsam oder hyperaktiv,
hat Schwierigkeiten
beim Lernen und reagiert auf
gut gemeinte Ratschläge bo-
ckig. Da hilft nur eins: es so
anzunehmen und zu lieben,
wie es nun einmal ist. Die
Botschaft, ob offen ausge-
sprochen oder zwischen
den Zeilen vermittelt, muss
immer lauten: „Ich mag dich, wie
du bist, egal ob du Schwierig-
keiten hast oder machst!“ Um
eine positive Grundeinstellung
dem guten Zweck zuliebe
nicht nur vorzutäuschen (das
Kind spürt das Unechte und
ist dann auch noch verwirrt,
wenn es etwas anderes zu fühlen
als zu hören bekommt), ist eine
ehrliche Auseinandersetzung
mit den eigenen Erwar-
tungen, Hoffnungen oder
Enttäuschungen wichtig.
„Wenn man einen
Menschen bessern
will, muss man ihn
erst einmal
respektieren.“
Romano Guardini
WARUM „SEI ANDERS!“-BOTSCHAF-
TEN DAS GEGENTEIL VON DEM
BEWIRKEN, WAS SIE BEZWECKEN
Um die Liebe der Eltern zu gewinnen,
würden manche Kinder ja gerne deren
Erwartungen entsprechen. Aber es ist
wie verhext, es gelingt einfach nicht.
Durch ihre Bemerkungen fühlen
sie sich wie festgenagelt. Dann
„grinsen“ sie lieber, spielen
„cool“ oder schalten auf
stur, denn es ist „eh‘ schon
egal“. Dieser Vorgang pas-
siert nicht wirklich bewusst.
Es sieht aber so aus, als wür-
de das Kind absichtlich Wider-
stand leisten und viele Eltern
fühlen sich provoziert und üben
noch mehr Druck aus: Sie verstärken
ihr gutes Zureden, ihre Mahnungen,
ihren Zynismus oder gar direkte Demüti-
gungen oder Züchtigungen.
LIEBEVOLLE ANNAHME ALS VO-
RAUSSETZUNG FÜR VERÄNDERUNG
Die Lösung scheint paradox: damit Ihr
Kind sich positiv entwickeln und verän-
dern kann, muss es sich zuerst einmal
so angenommen fühlen, wie es gerade
ist. Das erfordert Vertrauen und Geduld.
Doch diese Haltung hat sich noch immer
gelohnt. Um es gleich vorwegzunehmen:
es gibt eine Fülle von Möglichkeiten,
Grenzen zu setzen, Ihr Kind zu motivie-
ren und zu fördern – ohne unerwünschte
Nebenwirkungen.