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Psychotherapie:
IM GESPRÄCH MIT FREUD-ENKELIN: DR.SOPHIE FREUD
Die Seele ist ein tiefer Teich
Foto: ©
pixabay.com| Franz Strohmer
20 | JUNI 2016
Prof. Franz W. Strohmer
med. Journalist
Sophie Freud vermag mühelos zu überzeugen.
Ihr Lächeln, die fast zerbrechliche Zartheit der
Person, die fundierte Argumentation und nicht
zuletzt ihre Herkunft machen sie unantastbar.
In einem privaten Gespräch versuchte ich,
noch mehr über die Familie Freud zu erfahren:
Frau Dr. Freud wurde 1924 in Wien geboren
und ist die Enkelin des Begründers der Psycho-
analyse.
Sophie Freud:
Ja, aber dafür kann ich nichts.
1938 musste sie mit Ihrer Familie Wien verlas-
sen, um sich vor dem Naziterror zu retten.
Sophie Freud:
Ich ging mit meiner Mutter
schließlich nach Amerika.
Ihr Vater und der Bruder emigrierten aber
nach London, wie Ihr Großvater und die Tante
auch.
Sophie Freud:
Die Ehe meiner Mutter war
längst zerbrochen. Meine Eltern passten
schlecht zueinander. Keiner konnte dem an-
deren etwas von dem geben, was er oder sie
brauchte oder wollte. Streitigkeiten, Tränen
und gewalttätige hysterische Szenen bildeten
den Hintergrund meiner Kindheit.
Ihr Vater, Dr. Martin Freud, der älteste Sohn
von Sigmund Freud, war Jurist.
Sophie Freud:
Er hat seinen Abschluss in
Jura mit höchster Auszeichnung gemacht. In
der Emigration nützte ihm das aber nichts. In
England betrieb er eine kleine Trafik.
P
sychotherapie: ist jene Heilmetho-
de, mit welcher man psychische
Erkrankungen und Leidenszu-
stände heilen, beziehungsweise
soweit bessern kann, dass der davon
Betroffene damit umgehen lernt und auf
diese Weise wieder lebens-, arbeits- und
gesellschaftsfähig wird. Ihren wissen-
schaftlichen Ursprung hat die Psycho-
therapie in der von Dr. Sigmund Freud
entwickelten Psychoanalyse.
Dr. Freud wurde in Mähren geboren,
lebte aber die meiste Zeit in Wien.
Immer wieder werden auch die Gefahren
psychotherapeutischer Maßnahmen
diskutiert, angelernte Abhängigkeiten
von Personen und Wirkungsweisen, die
schlussendlich ein neues Krankheitsbild
darstellen.
Dr. Sophie Freud, selbst vom Fach als ge-
lernte Psychologin und Sozialpädagogin
warnte vor der problematischen Faszina-
tion der Heiler, die sich oft zum Alleinse-
ligmacher hochstilisieren, ohne dass sie
die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen
können oder wollen. Sie kritisierte auch
Sigmund Freud und meinte, ohne dessen
Bedeutung schmälern zu wollen, dass er
in vielen Dingen einfach falsche Thesen
verbreitet und permanent Regeln gebro-
chen hat, die er selbst aufgestellt hatte.
Bis in die Siebzigerjahre beteten noch
viele Psychoanalytiker zum Beispiel den
Unsinn nach, Frauen seien kastrierte
Männer. Auch über die Wissenschaft-
lichkeit der Arbeiten Sigmund Freuds
äußerte sich Sophie Freud distanziert:
Spontane Ideen und intuitives Nach-
denken wurden über Nacht einfach zur
wissenschaftlichen Tatsache.