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information & forschung
Eine Kombination aus Mensch und Tier:
SCHON LÄNGST GELEBTE PRAXIS ODER NOCH IN WEITER FERNE?
Horrorvorstellung oder Heilsversprechen
Thomas Kolbe
Fachwissenschaftler
für Versuchstierkunde,
Ass.-Prof. für die
Service-Plattform
Biomodels Austria
Veterinärmedizinische
Universität Wien
Foto: ©
pixabay.com18 | JUNI 2018
D
er Roman „Die Insel des Dr.
Moreau“, den H.G. Wells 1896
geschrieben hat, war so erfolg-
reich, dass er über die Jahrzehnte
immer wieder verfilmt worden ist. Die
Vorstellung von Mischwesen aus Tier und
Mensch ist den Menschen schon immer
unheimlich gewesen.
Bereits in der antiken Mythologie war
solch eine Mischung aus Mensch und Stier
als Minotaurus bekannt und viele altägyp-
tische Götter hatten menschliche Körper
mit Tierköpfen.
Eine Kombination aus Löwe, Ziege und
Schlange wird seit der Antike als Chimäre
bezeichnet.
Diesen Begriff haben moderne Biotech-
nologen übernommen, um Lebewesen,
die aus Körperzellen von zwei oder mehr
unterschiedlichen Spendern bestehen,
zu bezeichnen. Schon vor einigen Jahr-
zehnten wurden zur entwicklungsbiolo-
gischen Forschung Zellen aus Embryonen
von verschiedenfärbigen Mäusestämmen
zu einem einzigen Lebewesen kombiniert.
Außer dem gescheckten Fell war an
der Maus nichts auffällig. Aber die
Forscher konnten aufgrund der unter-
schiedlichen Genetik erkennen, welche
Zellen in welchem Ausmaß zur Bildung
der verschiedenen Organe beitrugen.
Jeder Mensch, der eine Bluttrans-
fusion oder gar ein Spender-
organ bekommen hat, ist
per Definition
auch
eine Chimäre. Solch eine rein menschliche
Chimäre schreckt noch niemanden. Wer aber
eine neue Herzklappe bekommt, ist schon
eine Mensch-Tier-Chimäre. Denn biologische
Herzklappen (keine mechanischen) stammen
vom Schwein, Rind oder Pferd!
Wenn es in Zukunft einmal Xenotrans-
plantate, also Ersatzorgane von Tieren für
Menschen geben sollte, wird man sich auch
daran gewöhnen.
Unheimlicher muten da schon die Versuche
von Neurophysiologen an, die menschliche
Nervenzellen in Hühnerembryonen einsetzen,
um die „Verdrahtung“ der menschlichen
Neuronen in einem sich entwickelnden Ge-
hirn verfolgen zu können.
In der Stammzellforschung führt der Mangel
an menschlichen Eizellen bei der Verbes-
serung der Zellkulturtechniken dazu, dass
Rinder- oder Kanincheneizellen genommen,
ihr Erbgut gegen menschliches Erbgut aus-
getauscht und daraus ein lebender Embryo
entwickelt wird.
Diese sogenannten Zybride dienen dann der
Gewinnung von neuen Stammzellen und
der Verbesserung von Labortechniken. Das
Erbgut stammt vom Menschen, es ist aber
kein vollständig menschlicher Embryo, weil
die Zellflüssigkeit und alle Zellorganellen von
einem Tier stammen.
In Zellkultur funktioniert so etwas, aber ein
lebendes Wesen könnte daraus (zum Glück)
nicht entstehen. Was also in der Mythologie
gruselig ist, hat in der Biomedizin durchaus
seinen Sinn und hilft hoffentlich in naher
Zukunft, Ersatzorgane für den Menschen
und Heilungschancen für neurologische
Störungen wie krankhafte Depression,
Autismus, Schizophrenie und vieles mehr zu
entwickeln.
Links/Literatur
http://www.schb.org.
uk/publications/details.
php?publications_id=1
Matthias Beck: Mensch-Tier-
Wesen. 2009. Ferdinand
Schöningh Verlag