LERNEN MIT ZUKUNFT Ausgabe September 2013 - page 26

26 | SEPTEMBER 2012
Historische Entwicklung:
Kinderkrankenhaus – Teil 1
DIE KINDERSTERBLICHKEIT WAR ENORM HOCH
gründete 1787 Joseph Johann Masta-
lier (1757-1793) unterstützt von Kaiser
Joseph II. in der Wollzeile Nr. 842 ein
privates Ambulatorium, in dem kranke
Kinder unbemittelter Eltern unentgeltlich
behandelt und gratis mit Medikamenten
versorgt wurden.
Seit 1800 standen zwei Krankheiten im
Mittelpunkt des Interesses: Diphtherie
und die Gehirnerkrankungen des Kindes.
Die zunehmende Spezialisierung der
Kinderheilkunde zeigte sich in Wien vor
allem an der Darstellung von eigenen
Krankheitsbildern für Kinder.
Um die Kinderheilkunde aus ihrer Verbin-
dung mit der Frauenheilkunde zu lösen,
errichtete der ehemalige Regimentsarzt
Ludwig Wilhelm Mauthner auf eigene
Kosten 1837 in der Vorstadt Schottenfeld
ein Kinderspital mit zwölf Betten für 4-12
jährige Kinder. 1847 wurde nach den Plä-
nen von Florian Schaden in der Kinder-
spitalgasse ein Neubau errichtet. 1849
erklärte der damalige Unterrichtsminister
das Spital zur staatlich dotierten Univer-
sitäts-Kinderklinik. Die Sekundarärzte des
nunmehrigen St. Anna-Kinderspitals wur-
den den Ärzten des AKH gleichgestellt.
Eine neue Phase pädiatrischer Spitals-
gründungen setzte in den siebziger Jah-
ren des 19. Jahrhunderts ein, ausgehend
von privater Initiative, wie bei der Errich-
tung des St. Anna Kinderspitals.
D
er Gedanke, dass Kinder spezi-
elle ärztliche Behandlung und
Betreuung benötigen, setzte sich
erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts durch. Jean Jacques Rousseau
(1712-1778) war für die neue Einstellung
der Gesellschaft zum Kind verantwort-
lich. In einem Erziehungsroman vertrat
er die Auffassung, dass es gewisser Vo-
raussetzungen bedürfe, um dem Kind die
Möglichkeit zu geben, seine Wesensart
ganz zu entfalten, um ein vollwertiger
Erwachsener werden zu können.
MEDIZINISCHE
GRATISVERSORGUNG
Kranke Kinder wurden in Findelhäu-
sern nicht aufgenommen. Meist gab
es nur vereinzelt Zimmer für kran-
ke Waisenkinder. Behandlungen
führte man, wie bei Erwachsenen,
in Allgemeinen Krankenhäusern
durch. Im Hôtel Dieu (Allgemeines
Krankenhaus in Paris) wurden Kin-
der noch zu den Erwachsenen in die
Betten gelegt. In Wien ließ Kaiser
Joseph II. das Allgemeine Kranken-
haus 1784 errichten. Gleichzeitig
kam es zur Gründung des Findel-
hauses in der Alserstraße, das je-
doch nur als Durchgangsstation für
die Neugeborenen lediger Mütter
dienen sollte, bis man einen geeig-
neten Pflegeplatz fand. Aber das
Findelhaus entwickelte sich, gegen
die Absicht des Kaisers, zu einer
Brutstätte für Kinderkrankheiten;
die Kindersterblichkeit betrug Ende
des 18. Jahrhunderts im ersten Le-
bensjahr bis zu 40%!! Tief betrof-
fen von dieser hohen Mortalität
ONLINEZEITUNG:
Univ. Prof. Dr.
Andreas Lischka
Kinderfacharzt
information & entwicklung
information & entwicklung
Fortsetzung in der Dezember-Ausgabe
Ludwig Wilhelm Mauthner von Mauthstein
Lithographie von Josef Kriehuber, 1846
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