information & entwicklung
Kinder lernen aus den Folgen:
VERANTWORTUNGSBEWUSSTSEIN AN KINDER VERMITTELN
Erziehung ist (k)ein Kinderspiel
Illustration: © Eugen Kment
Mag.
a
Maria Neuberger-
Schmidt
Autorin und Gründerin
Verein Elternwerkstatt
www.elternwerkstatt.atFoto: Ingrid Perger
Elternwerkstatt
D
iesen wichtigen und grundsätz-
lich richtigen Satz möchte ich
einer genaueren Betrachtung
unterziehen. Es muss uns Eltern
und Erziehern klar sein, dass es in
unserer Verantwortung liegt, zu ent-
scheiden, ob sie die Folgen selbst schon
verantworten können. Das wird vom
Alter und Entwicklungsstand und von
der Persönlichkeit und Einsichtsfähigkeit
des Kindes abhängen.
Welche Folgen kann mein Kind
schon selbst tragen?
„Wenn du ohne zu schauen über die
Straße läufst, wirst du überfahren!“
Einem Dreijährigen kann ich die Folgen
nicht tragen lassen, weil lebensge-
fährlich. Zu seinem Schutz müssen wir
Erwachsene Erklärungen, Gebote und
Verbote aussprechen und Konsequenzen
einbauen.
Kinder nicht sich selbst über-
lassen
„Kinder lernen aus den Folgen“:
Hinter diesem schönen Slo-
gan darf man nicht Verant-
wortung abschieben
und Kinder mit ihren
Problemen allein
lassen oder die
Aufsichtspflicht
verletzen. Nehmen
wir lieber in Kauf,
uns durch strengere
Regeln und Auflagen
vorübergehend unbe-
liebt zu machen, bis unse-
re Kinder die Reife und Selbstdisziplin
haben, die für ihre Sicherheit und ihren
Erfolg im Leben notwendig sind.
„Wenn man eine
Menschen besser
will, muss man ih
erst einmal
respektieren.“
Romano Guardini
Welche MaSSnahmen passen?
„Wenn du dich nicht anziehst, gehst du im
Pyjama in den Kindergarten!“ Diese Maß-
nahme kann wirken, wenn ich damit rechne,
dass mein Kind die spöttischen Blicke der
anderen nicht ertragen und sich in Hin-
kunft brav anziehen wird. Was aber, wenn
mein sensibles Kind danach den Spott der
anderen Kinder nicht verkraftet? Ein anderes
Kind völlig unbeeindruckt tatsächlich auch
im Pyjama glücklich ist, vor allem wenn es
spürt, dass es seine Eltern damit erpressen
kann? Wenn es mir selbst nicht ins Konzept
passt? Dann sollte ich mir etwas anderes
einfallen lassen und meinem Kind von Start
weg klar machen, was zu seinen morgend-
lichen Pflichten gehört.
Die Verantwortung gehört den
Erwachsenen
„Wenn du nicht lernst, wirst du die Prü-
fung nicht schaffen.“ Diese Erfahrung kann
gelegentlich ein heilsamer Schock sein. Aber
was dann, wenn mein Kind sein Schuljahr
verhaut, seine Schulkarriere, seine Ausbil-
dung? Was ist, wenn es Drogen nimmt und
davon nicht mehr los kommt? Die Verant-
wortung gehört uns Erwachsenen, zumin-
dest bis 18.
Mein 16-jähriger Sohn kümmert sich nicht
um die Beleuchtung für sein Moped? Vor
den Folgen eines Unfalls will ich ihn bewah-
ren - nicht aber vor dem Entzug der Num-
merntafeln.
Um zu wissen, welche Folgen mein Kind
schon tragen kann, ist es wichtig, es zu
beobachten und im Gespräch zu bleiben.
Eigenverantwortung will gelernt sein, durch
Konsequenzen und Bewährungsproben,
nicht aber durch Überforderung mit Freiheit.
16 | SEPTEMBER 2016