Background Image
Table of Contents Table of Contents
Previous Page  27 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 27 / 36 Next Page
Page Background

Begabt und ehrgeizig:

UNTERSTÜTZUNG EINMAL ANDERS

Erziehung ist (k)ein Kinderspiel

DEZEMBER 2014 | 27

information & entwicklung

information & entwicklung

ONLINEZEITUNG:

http://aktuell.LmZukunft.at

J

ulian, 9 Jahre, ist begabt und ehr-

geizig. Dementsprechend zählt er zu

den besten Schülern in seiner Klasse

und seine Eltern und Lehrer sind mit ihm

sehr zufrieden.

Aber er ist es nicht. Sobald seine Leis-

tungen nicht topp sind, zeigt er sich

zerknirscht und wütend: „Wie konnte ich

nur so dumm sein und so blöde Fehler

machen!

Die Mutter versucht, ihn zu trösten:

„Nein, du bist nicht dumm! Das kann

doch jedem passieren!“

Kind: „Doch! Bin ich! Und außerdem

bekomme ich jetzt sicher keinen Einser

mehr ins Zeugnis!“

Mutter: „Und wenn schon!“ Die Anna

zum Beispiel wäre froh, wenn sie so gute

Noten hätten wie du!“

Kind: „Wie kannst du mich nur mit der

Anna vergleichen!“

Mutter: „Sei nicht so ehrgeizig! Dadurch

wirst du nur verkrampft!“

Kind: „Du verstehst mich nicht!“....

DIE KOMMUNIKATIVE SACKGASSE

Wieso führt dieses Gespräch in die kom-

munikative Sackgasse? Weil die Mutter,

ohne es zu beabsichtigen, verbale

Kommunikationssperren ver-

wendet.

Um ihrem Sohn zu helfen, versucht sie,

ihm seine Gefühle auszureden und das

Problem abzunehmen. Dadurch aber fühlt

er sich weder verstanden, noch ernst

genommen und er beginnt, auf alles, was

sie sagt, zu widersprechen.

Daher „reitet“ er sich immer stärker

in sein Problem hinein („Du bist nicht

dumm!“ – „Doch, bin ich!“) und baut

an seinem eigenen negativen Selbst-

bild. Mir ist klar, dass viele Eltern diese

beiden um ihr Problem beneiden. Wenn

die Beziehung insgesamt zwischen

ihnen stimmt, wird dieser „Sackgassen-

Dialog“ keine tiefschürfenden Folgen

haben. Es kommt auch auf die Persön-

lichkeit des Kindes und das gelebte Vor-

bild der Eltern an, wie diese mit Leistung

umgehen.

WANN NICHT HELFEN AM MEISTEN

HILFT

Die Mutter kann jedoch Julian dabei hel-

fen, sein Problem selbst zu lösen, wenn

sie seinen „Selbstklärungsprozess“ un-

terstützt, d.h., ihm erlaubt, seinen Frust

abzuladen und wenn sie seine Gefühle

ernst nimmt. Durch passende Fragen

kann sie ihm helfen, „laut nachzuden-

ken“. Dadurch fühlt sich Julian erleich-

tert, bekommt wieder „klaren Kopf“

und kommt selbst zur Einsicht, dass

das alles nicht so tragisch ist. Lösungen

findet er von selbst. Nur

Überzeugungen, die man

selbst gewinnt,

bewirken Verän-

derung.

Es erscheint

paradox:

manchmal ist

am meisten

geholfen, wenn

man nicht hilft.

Mag.

a

Maria Neuberger-

Schmidt

Autorin und Gründerin

Verein Elternwerkstatt

www.elternwerkstatt.at

Illustration: © Eugen Kment