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Wiener Arzt und Gesundheitspolitiker:
DIE ZUKUNFT SEHE ICH IN DER GANZHEITSMEDIZIN
Prof. Dr. Alois Stacher
20 | JUNI 2017
Prof. Franz W. Strohmer
med. Journalist
1
925 kommt der spätere Arzt,
Wissenschaftler und Wiener
Stadtrat für Gesundheit und Sozi-
ales Alois Stacher als Sohn einer
Modistin und eines Kellners in Wien zur
Welt. Rudolf Steiner, der Schöpfer der
„anthroposophischen Lehre“, die unter
anderem auf der These beruht, dass der
Mensch die Fähigkeit besitzt, in sich
selbst höhere seelische Qualitäten zu
entwickeln und seine Erkenntniskräfte
auszuweiten, stirbt in Dornach bei Basel
als der kleine Alois gerade eineinhalb
Monate alt geworden ist. Auf ihn trifft
die vorgenannte These ganz bestimmt in
hohem Maße zu.
1925 wird in Österreich die Währung
„Schilling „eingeführt und in Wien ein
mehrjähriges gigantisches Wohnbau –
und Sozialprogramm zum Erfolg geführt.
Einer der führenden Anatomen der Zeit,
Prof. Dr. Julius Tandler, der sich auch mit
der wissenschaftlichen Untersuchung
des Schädels von Joseph Haydn befasst,
lässt als Stadtrat für Gesundheit und
Wohlfahrt ein „geschlossenes Fürsorge-
system“ errichten, das die Bewunderung
der ganzen Weltöffentlichkeit erregt.
Der Neopolitiker Dr. Tandler engagiert
sich auch für den Kampf gegen die
gefürchtete Tuberkulose (Krankheit
der Armen), Lungenheilstätten werden
installiert, die erste Krebsberatungsstelle
in Wien und die erste europäische Kin-
derübernahmsstelle initiiert, letztere, um
Säuglinge, Kinder und Jugendliche, die
der Gemeinde zur Obsorge übergeben
wurden, weiter zu betreuen.
Auf der Gedenktafel am villenartigen Bau
steht Tandlers Credo „Wer Kindern Paläste
baut, reißt Kerkermauern nieder“.
1925 wird diese Einrichtung eröffnet. Den Ini-
tiator bezeichnet Alois Stacher später als sein
großes Vorbild. Trotz ärmlicher Verhältnisse
darf der kräftig wachsende Alois Geige lernen
und spielt mit 10 Jahren Weihnachtslieder,
ohne nennenswerte Fehler zu machen. Ein
furchtbares Erlebnis hat der 14-jährige Gym-
nasiast, als sein Vater sich am Heiligen Abend
des Jahres 1939 selbst das Leben nimmt.
Der jugendliche Alois ist kein besonders guter
Schüler des humanistischen Gymnasiums in
der Wiener Amerlingstraße. Mathematik liebt
er überhaupt nicht. Statt der Mathematik-
schularbeit genießt er öfter einen Spaziergang
durch den Stadtpark oder geht Kohlen stehlen.
Sein alter Griechischlehrer sagt manchmal zu
der Klasse: „Wen es nicht interessiert, der soll
ruhig Karten spielen“. Man hat andere Sorgen
als unnötigen Lehrstoff wiederzukauen.
Februar 1943 Abitur. Von 35 Mitschülern über-
leben nur 7 das Kriegsgeschehen. Nach dem
Arbeitsdienst (Alois pflückt lieber Heidelbee-
ren statt zu exerzieren) wird der junge Mann
zur Luftwaffe nach Mechelen (Holland – Kanal
bei Ostende) eingezogen und zum Bordfunker
ausgebildet. Nach Abkommandierung in die
Luftwaffenoffiziersschule von Reims Rückstel-
lung zum Kanal aufgrund eines Gesuches, dass
er sich geistig und körperlich nicht befähigt
fühle für die Luftwaffe. Schließlich landet er
nach einer Fallschirmjägerausbildung bei der
Einheit „Grüne Teufel“ in der Nachschubfunk-
stelle.
Im Laufe der opferreichen Rückzugsgefechte
Fotos: © Familienarchiv Dr. Stacher




