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Die richtige Balance finden:
„DIE AUFGABE DER UMGEBUNG IST NICHT, DAS KIND ZU FORMEN, SON-
DERN IHM ZU ERLAUBEN, SICH ZU OFFENBAREN." (MARIA MONTESSORI)
Lasst die Kinder in Ruhe
Foto: ©
pixabay.comGrundsätzlich ist es hilfreich den Tag der Kinder
nicht oder nur wenig zu verplanen. Eltern nei-
gen dazu sie von einem Förderkurs zum näch-
sten, von einer kindgerechten Veranstaltung
zum Sportkurs, etc. zu bringen. Kinder wollen
aber nicht immer fort – sie wollen trödeln, spie-
len und auch einfach einmal in den Tag hinein-
träumen. Gönnen wir ihnen das!
U
hren und Kinder dürfen nicht
beständig aufgezogen werden
– man muss sie auch gehen
lassen.“ Die Lebensweisheit des
deutschen Schriftstellers Jean Paul gilt
heute genauso wie im 18.Jahrhundert.
Zumindest oder gerade für Kinder in
unserer hochtechnisierten und digitalen
Welt.
Im rasanten Lebensstil unserer Lei-
stungsgesellschaft muss alles so rasch
und effizient wie möglich passieren.
Unsere Kinder machen uns da allerdings
mitunter einen Strich durch die Rech-
nung. Kinder leben intensiv in Gefühlen
und im Jetzt und Heute. Sie erleben
alles, was der Tag mit sich bringt, in
einem langsameren Tempo. Erwachsene
hingegen haben diese Seite ihrer Kind-
heit zumeist vergessen.
Junge Eltern merken rasch: mit dem er-
sten Kind fängt eine neue Zeitrechnung
und eine neue Lebensgeschwindigkeit,
oder besser gesagt eine neue Lebens-
langsamkeit, an. Dennoch versuchen wir
konsequent und häufig mit wenig Erfolg
unsere Kinder an unser Tempo anzupas-
sen.
Wie viel Not und Tränen könnten in
Familien vermieden werden, wenn die
natürlichen Bedürfnisse eines Kindes
nach ausreichend Ruhe, Schlaf und Zeit
berücksichtigt würden. Kinder zu haben
bedeutet Verzicht und besonders in den
Vorschuljahren auch das Anpassen der
elterlichen Lebens- und Arbeitsplanung
an die emotionalen und physischen
Bedürfnisse der Kinder.
23 | JUNI 2017
DI Roswitha Wurm
Dipl. Legasthenie-/
Dyskalkulietrainerin
www.roswitha-wurm.atDoch was hat das alles mit Schule, Lernen und Lehrer sein zu tun?
Sehr viel. Denn durch Ganztagsschulen und Nachmittagsbetreu-
ung nimmt der Einfluss und die zeitliche Betreuung der Kinder im
schulischen Bereich immer mehr zu. Die (Schul)kinder benötigen in
den Schulen mehr Rückzugsorte und stille Plätze, an denen sie auch
einmal zur Ruhe kommen. Oftmals müssen sie dazu auch aufge-
fordert werden. Zur natürlichen Langsamkeit des einzelnen Kindes
gehört es auch auf dessen individuelles Lern- und Reifungstempo so
gut wie möglich einzugehen. Natürlich ist das in den wieder größer
werdenden Klassenverbänden nur bedingt durchführbar. Dennoch
sollen und dürfen Kinder auch Fehler machen, einmal einen träume-
rischen Tag haben oder bei gewissen Lernschritten einfach länger
brauchen dürfen!
Eltern benötigen mitunter die Ermutigung und die „Erlaubnis“ der
Klassenlehrerin, dass ihr Kind Zeit braucht um „zu werden“ – und
das gelingt noch immer am besten jenseits aller Hektik. Die besten
Vorbilder in „Ruhe geben“ sind die Erwachsenen selber – das gilt
sowohl für Eltern als auch für Lehrer.