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Forschung:
MÖGLICHERWEISE TRÄGT JEDER MENSCH FREMDE ZELLEN IN SEINEM KÖRPER
Mikrochimärismus
Thomas Kolbe
Fachwissenschaftler
für Versuchstierkunde,
Ass.-Prof. für die
Service-Plattform
Biomodels Austria
Veterinärmedizinische
Universität Wien
haben die Nachweismethoden inzwischen
extrem verfeinert und können 3-5 fremde
Zellen zwischen 100.000 körpereigenen
Zellen auffinden. Dadurch gelang es auch,
den umgekehrten Austausch von Zellen zu
zeigen: Eine Frau trug ohne Geburt eines
eigenen Kindes Y-Chromosom tragende
Zellen in sich. Wie konnte das sein? Nun,
sie hatte einen älteren Bruder: Bei der
ersten Schwangerschaft wechselten Zellen
des männlichen Babys in die Mutter. Bei
der zweiten Schwangerschaft wechsel-
ten einige wenige von ihnen zurück in
das weibliche Baby. In dessen Körper sie
Jahrzehnte später nachgewiesen wur-
den. Welchen Sinn hat das oder ist es
nur mangelnde Kontrolle der Natur? Die
Zellen des Babys tragen immerhin 50%
fremdes Erbgut (nämlich die Gene vom
Vater). Das Immunsystem der Mutter
scheint die Zellen dennoch zu ignorieren.
Oder greift unkontrolliert diese Zellen und
auch weitere Körpereigene an, woraus
sich eine Autoimmunkrankheit entwickelt.
Was für die Mutter eine Gefahr sein kann,
stellt für das Baby einen Überlebensvorteil
dar: Diese in die Mutter überwechselnden
Zellen sind nämlich noch nicht ausdiffe-
renziert. Sie können sich in verschiedenste
Gewebe einfügen und Defekte der Mutter
V
or wenigen Jahren hat sich an
der Medizinischen Universität in
Graz eine kleine Gruppe inter-
nationaler Wissenschaftler der
verschiedensten Disziplinen getroffen:
Dermatologen, Transplantationschi-
rurgen, Immunologen und Molekular-
genetiker. Was Forscher so unterschied-
licher Bereiche zusammenbrachte ist
ein Thema namens Mikrochimärismus.
Dieses Phänomen bedeutet, dass sich
in einem Körper eine ganz geringe Zahl
körperfremder Zellen befindet und dort
mitunter für Komplikationen sorgen
kann. Schon bei einer Bluttransfusion
nimmt man körperfremde Zellen auf.
Allerdings haben Blutzellen eine kurze
Lebensdauer und werden bald durch kör-
pereigene Blutzellen ersetzt. Aber Der-
matologen und Immunologen haben sich
bisher nicht erklären können, warum bei
Autoimmunerkrankungen Frauen eine
teilweise bis zu 10fach höhere Erkran-
kungsrate aufweisen. Transplantations-
chirurgen wundern sich, warum manch-
mal Spenderorgane abgestoßen werden,
obwohl die Gewebetypisierung eine sehr
gute Organverträglichkeit vorausgesagt
hat. Zellforscher haben schon vor vielen
Jahren nachweisen können, dass bei
einer Schwangerschaft Zellen vom
Baby in die Gewebe und Organe der
Mutter einwandern. So trug eine
Frau 27 Jahre nach der Geburt eines
kleinen Jungen noch Zellen mit dem
männlichen Y-Chromosom in ihrem
Körper. Die Molekulargenetiker
Fotos: ©
pixabay.com18 | JUNI 2017
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info
Zu Prof. Markus
Hengstschläger ein paar
Links zum Thema
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-
15173-2012-09-27.html
http://www.onmeda.de/magazin/schutzengel-im-
bauch.html




