Eltern aktiv einbeziehen:
WAS „BRINGT“ DEN ELTERN EINE ERZIEHUNGS- UND BILDUNGSPARTNERSCHAFT?
Perspektivwechsel
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ür mich bedeutet Erziehung
„Versuch und Irrtum“, denn ein
Patentrezept für DIE richtige Er-
ziehung gibt es keines. Vielmehr geht es
darum, die verschiedenen Möglichkeiten
und Lösungsansätze auszuprobieren
und immer wieder neu zu überdenken.
Unsere Gesellschafts- und Familien-
strukturen verändern sich sehr rasch und
die Menschen sind hohen Belastungen
ausgesetzt. Es gibt viele Alleinerzie-
hende, Patchworkfamilien, gleichge-
schlechtliche Ehen und weniger Groß-
familien. Von den ArbeitnehmerInnen
wird erhöhte Flexibilität und Mobilität
gefordert, viele haben prekäre Arbeits-
verhältnisse und Familie und Beruf wird
immer schwieriger zu vereinbaren. All
diese Faktoren führen zu überforderten
und verunsicherten Familien, woraus
wiederum erzieherische Unsicherheiten
und Veränderungen entstehen.
LEBENSSCHULE
Gesellschaftliche Strukturveränderungen
und (persönliche und gesellschaftliche)
Destabilisierungen führen dann bei
Erwachsenen und Kindern zu einem
gelingenden Leben, wenn es genügend
Bewältigungsmechanismen, soziale
Netzwerke, Sinnhaftigkeit, „positive Ge-
fühle“ (Flourishing) und Schutzfaktoren
gibt. Und zwar in Form von gelingenden
„Begegnungs-, Bildungs- und Bezie-
hungsräumen“ für neue Erfahrungen,
zum tätig Sein, zum Austausch, zum
schöpferischen Tun und Lernen sowie
zum Umgang mit Scheitern und Leid.
Hierin sehe ich eine wesentliche Aufga-
be von Erziehungs- und Bildungspartner-
schaften.
GEMEINSAME VERANTWORTUNG
Ich plädiere daher dafür, dass Eltern in
das Geschehen im Kindergarten aktiv
einbezogen und als Personen wahr-
genommen werden. Mütter und Väter
können nur dann Erziehungsautorität
entwickeln, wenn sie sich als unab-
hängige GestalterInnen ihres Lebens
wahrnehmen und nicht in der Opferrolle
sehen. Erziehungs- und Bildungspart-
nerschaft bietet jenseits konkreter
Angebote, Entwicklungsgesprächen und
geplanter Kursstrukturen immer wieder
auch unerwartete Gelegenheiten für
Selbstbildungsprozesse sowie zur Klä-
rung von Erziehungs- und Alltagsfragen.
Bildungsfördernd ist sie dann, wenn Fra-
gen der Eltern gehört, aufgegriffen und
weitergeführt werden. Dafür bedarf es
neben aller wichtigen Planung genügend
„Leerstellen“ und
einer engagierten,
sensiblen Ein-
statt Vor-stellung.
Am Beginn der
Erziehungs- und
Bildungspartner-
schaft muss aber
die Frage stehen:
Sind Eltern in
unseren Institu-
tionen (wirklich)
aktiv beteiligt und
verändern uns
und die Instituti-
on? Oder werden
sie als störend
und irritierend
empfunden und
wir „beteiligen“
sie?
Fotos: © Walter Wick
information & verantwortung
information & verantwortung
Prof.
in
Dr.
in
Sigrid Tschöpe-Scheffler,
Direktorin des Instituts für
Kindheit, Jugend, Familie
und Erwachsene an der
Fakultät für Angewandte
Sozialwissenschaften-Köln
ONLINEZEITUNG:
JUNI 2013 | 29