Erinnerungen:
        
        
          DIE GEHEIMNISVOLLSTE ZEIT DES JAHRES
        
        
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          Weihnachten 1941
        
        
          information & brauchtum
        
        
          information & brauchtum
        
        
          Ingeborg Halzl
        
        
          Schreibpädagogin
        
        
          Endlich war der heilige Abend da. Bei Ein-
        
        
          bruch der Dunkelheit wurde ich zu Oma
        
        
          ins Nachbarhaus gebracht. Oma hatte
        
        
          ein großes Anwesen mit Tieren, von Kat-
        
        
          ze bis  Pferd. Da der heilige Abend auch
        
        
          der Beginn der zwölf Rauhnächte ist, war
        
        
          es Brauch, das Haus auszuräuchern. Man
        
        
          legte glühende Kohlen auf eine Schau-
        
        
          fel, streute Weihrauchkörner darauf und
        
        
          ging damit durch alle Wohnräume, in die
        
        
          Scheune und auch zu den Tieren in die
        
        
          Stallungen.
        
        
          BRAUCHTUM
        
        
          Wir hatten einen sehr großen Christ-
        
        
          baum, vor dem wir das Evangelium lasen,
        
        
          Gedichte aufsagten und sangen. Es gab
        
        
          viele Geschenke. Dass es vor allem Be-
        
        
          kleidung und sonstige Notwendigkeiten
        
        
          waren, störte uns nicht. Mit Spielzeug
        
        
          hatten wir natürlich die größte Freude.
        
        
          Das Festessen war im Wirtshaus bei On-
        
        
          kel und Tante, und es gab immer Karp-
        
        
          fen, Erdäpfelsalat und als Nachspeise:
        
        
          Apfelstrudel. Nach dem Essen gingen wir
        
        
          zum Friedhof und stellten in die schnee-
        
        
          bedeckten Grabhügel kleine Kerzen.
        
        
          Zur Mitternachtsmette kamen aus allen
        
        
          kleinen umliegenden Dörfern die Leute
        
        
          mit Laternen. Es waren alle in freu-
        
        
          diger Stimmung. Zum Abschluss
        
        
          der Mette spielte mein Bruder auf
        
        
          der Orgel: „Stille Nacht ...“ und
        
        
          die Menschen sangen voll
        
        
          Inbrunst so laut sie konn-
        
        
          ten.
        
        
          I
        
        
          ch
        
        
          war 1941 sechs Jahre alt, mein
        
        
          Vater im 2. Weltkrieg, und meine
        
        
          Mutter rackerte für uns vier Kinder.
        
        
          Wir lebten in einem kleinen Dorf im
        
        
          Waldviertel, mit Schule, Kirche und
        
        
          eigenem Pfarrer.
        
        
          Für mich war Weihnachten der absolute
        
        
          Höhepunkt des Jahres und die Vorfreude
        
        
          begann mit den ersten Schneeflocken.
        
        
          Winter war damals noch Winter, mit viel
        
        
          Schnee, der oft bis zu den Knien reichte.
        
        
          Die Kälte ließ den Schnee bei jedem
        
        
          Schritt knirschen. Eislaufen auf den
        
        
          zugefrorenen Löschteichen und Rodel-
        
        
          fahren von jedem kleinen Hügel waren
        
        
          unser Wintersport.
        
        
          Vor dem Advent holten wir Tannenäste
        
        
          aus dem Wald und Mutter flocht einen
        
        
          großen Adventkranz. An den Sonntagen
        
        
          wurden entsprechend viele Kerzen ange-
        
        
          zündet und wir sangen stimmige Lieder
        
        
          und beteten. Damals wurde viel gebetet,
        
        
          weil Frauen um ihre Männer und Söhne
        
        
          bangten, die im 2. Weltkrieg eingezogen
        
        
          waren.
        
        
          RAUHNÄCHTE
        
        
          Neun Tage vor dem heiligen Abend
        
        
          begann die „Herbergssuche“. Neun Fa-
        
        
          milien trafen sich in den jeweiligen Häu-
        
        
          sern zum Rosenkranzbeten. Dabei wurde
        
        
          eine Marienstatue mitgetragen, die dann
        
        
          einen Tag bei einer Familie verblieb. Wir
        
        
          Kinder fanden das Rosenkranzbeten sehr
        
        
          fade, aber jeder Rosenkranz brachte uns
        
        
          dem heiligen Abend näher.
        
        
          Wenn wir vom kommenden Christkind
        
        
          sprachen, so war das für uns das Kind in
        
        
          der Krippe, das zu Bethlehem geboren
        
        
          war mit Maria, Josef, Ochse und Esel.
        
        
          v.r. Ingeborg Halzl mit Geschwister
        
        
          4 | DEZEMBER
        
        
          2013
        
        
          ONLINEZEITUNG: 
        
        
        
          .
        
        
          Foto: © Denis Tabler - Fotolia.com