18 | SEPTEMBER 2014
information & entwicklung
ONLINEZEITUNG:
VERANTWORTUNG FÜR SICH SELBST ÜBERNEHMEN
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Der kleine Rechthaber:
J
ulian, 8, hat es mit der Rechtha-
berei. Seine Mutter nervt es, dass
er immer das letzte Wort haben
muss – besonders dann, wenn er im
Unrecht ist. Vor einigen Tagen entspan-
nte sich das folgende Gespräch: Mutter:
„Julian, nimm die Turnsachen und die
Sportschuhe, wir müssen zum Training.“
Als er im Vorzimmer erscheint, fragt
die Mutter: „Und wo sind deine Sport-
sachen? Ich hab dir doch gesagt....“
Julian: „Hast du nicht!“ Mutter: „Hab
ich doch!“ Julian: „Das ist nicht wahr!“
Beide steigern sich hinein.
UNFRUCHTBARE DEBATTEN
Es gibt einfach Situationen, wo die
Frage, wer denn wohl Recht habe, nur
in Streit und unfruchtbaren Debatten
endet. Natürlich ist jeder von seiner
Sicht der Dinge überzeugt. Wenn sich
die Debatte im Kreis zu drehen beginnt
(Aussage gegen Aussage), ist es besser
auszusteigen, z.B. so: „Also, du bist
davon überzeugt, dass du Recht hast
und
ich bin es auch.“ (Wertfrei
be-
schreiben, was Sache ist).
„Findest du, dass ICH dafür
verantwortlich bin, dass du
deine Sachen packst, wenn
du zum Training gehst?“
(Die Sache auf den Punkt
bringen). Oder, ohne belei-
digt zu sein: „Ich habe keine
Lust, dafür verantwortlich
zu sein, ob du deine Sachen
eingepackt hast – um mich
dann womöglich auch noch
Mag.
a
Maria Neuberger-
Schmidt
Autorin und Gründerin
Verein Elternwerkstatt
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Erziehung ist (k)ein Kinderspiel
anschnauzen zu lassen...“ (Ich-Bot-
schaft). Dann können Sie zielorientiert
fragen: „Was kann helfen, dass das
nicht so leicht wieder passiert?“ Meist
lenkt das Kind ein, denn es will groß
sein und Verantwortung übernehmen.
LIEBER NACH DER LÖSUNG STATT
NACH DEM SCHULDIGEN SUCHEN
Das Kind soll sich selber Lösungen für
sein Problem einfallen lassen. Ich bin
dafür, Kinder schon früh in die Eigen-
verantwortung hineinzunehmen, ohne
aber auf die nestwärmende, elterliche
Fürsorglichkeit zu verzichten. Welche
Lösung in einer konkreten Situation, bei
einem ganz bestimmten Kind mit seinen
Stärken und Schwächen passt, kann in
der Praxis sehr unterschiedlich sein.
Auch wenn es nicht immer so scheinen
mag: Sie haben immer die Wahl, wie
Sie auf „dumme Bemerkungen“ oder
auf Vorwürfe reagieren. Die
Sach-Frage nach dem objektiv
Richtigen, nach dem Recht
haben, führt oft am Wesent-
lichen vorbei: Keiner
mag gerne zugeben,
dass er einen Fehler
gemacht hat. Da ist es klüger,
den anderen, insbesondere das
emotionale Kind, ohne Gesichts-
verlust „aussteigen“ zu lassen. Und
ist es nicht fruchtbarer, das Kind in
die Eigenverantwortung zu nehmen
und nach Lösungen zu suchen, anstatt
es durch fruchtlose Debatten in seiner
„Rechthaberei“-Manie zu fixieren und
womöglich immer mehr Machtkämpfe
auszufechten?
Illustration: © Eugen Kment