DEZEMBER 2013 | 15
        
        
          INDIVIDUALISIERTES LERNEN FÖRDERT UND FORDERT EIGENSTÄNDIGES
        
        
          DENKEN
        
        
          ■
        
        
          ■
        
        
          I
        
        
          m pädagogischen Bereich wird seit
        
        
          den 1990er Jahren zunehmend von der
        
        
          „Kompetenz der Schüler“ anstelle von
        
        
          Qualifikation gesprochen. Schüler sollen
        
        
          das Gelernte wissen, verstehen, anwen-
        
        
          den, analysieren, einen Zusammenhang
        
        
          mit anderen Lehrinhalten herstellen und
        
        
          daraus neue Ideen entwickeln können. So
        
        
          sollte Lernen grundsätzlich funktionieren.
        
        
          Die Praxis in den Schulen zeigt allerdings
        
        
          häufig ein ganz anderes Bild.
        
        
          Bereits Volksschüler werden anhand
        
        
          von standardisierten Lese- und Recht-
        
        
          schreibtests miteinander verglichen. Da-
        
        
          bei geht es meist um sinnerfassendes
        
        
          Lesen und Verstehen von altersgerechten
        
        
          Texten. Diese zentral entwickelten Über-
        
        
          prüfungen – deren Aufgabe es eigentlich
        
        
          ist, Defizite zeitgerecht zu erkennen und
        
        
          durch gezielte Fördermaßnahmen auszu-
        
        
          merzen - verunsichern Eltern, Schüler
        
        
          und Lehrer gleichermaßen. Nicht selten
        
        
          kommt es vor, dass Eltern stun-
        
        
          denlang mit ihren Kindern üben.
        
        
          Diese sind dann am Testtag äußerst
        
        
          nervös. Auch von Seiten der Lehrer
        
        
          wird auf die Schüler Druck gemacht,
        
        
          da ein schlechtes Abschneiden de-
        
        
          ren Unterrichtsfähigkeit in Frage
        
        
          stellen könnte. Wer möchte schon
        
        
          als inkompetent (= unfähig, unqua-
        
        
          lifiziert) dargestellt werden?
        
        
          Der immense Druck, der durch
        
        
          punktuell durchgeführte Tests ent-
        
        
          steht, beruht auch auf der Tatsa-
        
        
          che, dass sie in ihren Ergebnissen
        
        
          stark tagesabhängig sind.
        
        
          Der Druck wächst:
        
        
          Kompetent genug?
        
        
          information & entwicklung
        
        
          information & entwicklung
        
        
          ONLINEZEITUNG:
        
        
        
          Foto: © Vitalinko - Fotolia.com
        
        
          DI Roswitha Wurm
        
        
          Dipl. Legasthenie-/
        
        
          Dyskalkulietrainerin
        
        
        
          Dies betrifft besonders Schüler mit
        
        
          Teilleistungsschwächen wie Legasthenie,
        
        
          Dyskalkulie, hyperkinetischer Störung
        
        
          (ADHS) oder nonverbale Lernstörung.
        
        
          Der einheitlichen, kompetenzorientierten
        
        
          Unterrichtsvorgabe liegt der Gedanke
        
        
          der Fairness zugrunde. Simpel ausge-
        
        
          drückt lautet die Idee: Jeder Schüler und
        
        
          jede Schülerin lernt das Gleiche und wird
        
        
          nach den gleichen Kriterien beurteilt.
        
        
          Das Problem dahinter lautet: Unter-
        
        
          schiedliche Lerntypen lernen schwer-
        
        
          punktmäßig auf ihre spezielle Art
        
        
          und Weise: durch Hören,
        
        
          durch Sehen, durch
        
        
          Angreifen, durch
        
        
          Anwenden. Jeder
        
        
          auf seine Weise und
        
        
          seinen Talenten und
        
        
          Vorzügen entsprechend.
        
        
          Kompetenzorientierter Unter-
        
        
          richt in der Theorie hat unter
        
        
          anderem das Ziel individuelle
        
        
          Lernwege und Lösungen zu
        
        
          erarbeiten. Diese Vorgabe ist
        
        
          gerade für schwächere Schüler
        
        
          schwer erreichbar. Einheitliche
        
        
          Schulmodelle erschweren in vielen
        
        
          Fällen auch die Förderung von spezi-
        
        
          ellen Fähigkeiten.
        
        
          Eines sollte die Frage nach der Kom-
        
        
          petenz in keinem Fall vermitteln:
        
        
          Wer in der Schule Kompetenztests nicht
        
        
          in der erwarteten Weise erfüllen kann,
        
        
          ist unfähig fürs Leben! Gerade diese Ge-
        
        
          fahr verbirgt sich hinter standardisierten
        
        
          Tests. Entmutigte Kinder sind die Folge.
        
        
          In diesem Fall hat sich das Wort Kom-
        
        
          petenz den Titel „Unwort des Jahres“
        
        
          verdient!